Lustwandeln
Welch köstliches Wort: „lustwandeln“. Kann man sich so recht auf der Zunge zergehen lassen. L u s t w a n d e l n: Ein saftiges Wort, das nach Pfirsich und Honigmelone schmeckt. Dabei ist es eigentlich nur ein poetisches Wort für „spazieren gehen“. Und doch spürt man sofort: Da klingen andere, alte Inhalte durch: „Füllhorn“ zum Beispiel, „Stelldichein“ oder „Koketterie“. Nicht mehr ganz so harmlos, sehr viel konkreter als lustwandeln mutet mich da das „Lusthaus“ an, ein Gartenhaus, das unsere wohlbestallten Altvorderen auch gerne mal in einer lauschigen Maiennacht zu zweit besuchten, vielleicht nach einem Lustspiel von einem kecken Lüstchen angeweht. Aber vielleicht pflegten sie ja stattdessen in einem Lustwäldchen der frivolen Muße. Ach, wer weiß, ich kann wohl ihre Seufzer in der Brise hören.
Ja, die Sprache kann einen schon stimulieren. Worte wie „anmachen“ oder „anbaggern“ oder „angraben“ schaffen das nicht, jedenfalls nicht bei mir. Zwischen „Venushügel“ und „Fotze“ liegt ein Universum voll von Milchstraßen, die ganze Spannweite der deutschen Sprache von „Literatur“ bis „Gosse“. Aber wer weiß noch von ihren verrottenden Fäkalien und Aasfliegenschwärmen, ihrem Rattengefiep? So effektiv ist die moderne Hygiene, dass sie uns die Gosse übersehen lässt – gleichwohl sie noch vorhanden ist, nur eben nach innen genommen. Würden doch die Kehrschaufeln der Straßenkehrmaschinen auch den Wortmüll mit einsammeln.
Doch bliebe dann Zeit zum Lustwandeln? Ich habe meine Zweifel. In einem Hamsterrad fällt das einem doch eher schwer.