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Täuschen wir uns?

Auch Männer täuschen gerne.

Keine und keiner von uns würde sich einen Lügner nennen. Und natürlich stimmt das auch. Wir halten so gut wie alles, was wir sagen, denken und fühlen, für wahr. Aber da täuschen wir uns ganz gehörig. Nicht die Lüge, sondern unser Glaube an die Wahrheit ist das Problem.

Die Psychologie weiß, dass ein Gros unserer Denkakte vor allem einem dient: unser Selbstbild aufrecht zu erhalten. Wenn der Herr Direktor seiner Putzfrau großzügig einen Zwanziger extra zusteckt und murmelt: „Sie machen Ihre Arbeit wirklich großartig“, dann wollen wir nicht gleich denken, er könnte sie das nächste Mal fragen, ob sie nicht erst bei ihm nach Büroschluss putzen möchte. Nein, nein, solche Direktoren sind die Ausnahme. Viel wahrscheinlicher ist der Direktor tatsächlich hoch erfreut über sein blitzsauberes Büro. Und weil er sich für einen großzügigen Menschen hält, zückt er eben den Zwanziger. Aber nun stellt sich eine Frage: Würde er das auch bei seinem Geschäftsführer tun? Natürlich nicht. Da müsste es wenigstens ein Zweihunderter sein. Mit dem Zwanni festigt der Herr Direktor also auch sein Gefühl: Ich bin ein Direktor und das ist meine Putzfrau.

Ein kompliziertes Terrain, auf dem man sich leicht verheddern kann. Täuschen ist ganz normal, sich täuschen und den anderen täuschen, ganz ohne Absicht. An dieser Stelle frage ich mich: Was tue ich, um gegenüber meiner Partnerin mein Selbstbild aufrecht zu erhalten? Schenke ich ihr zum Beispiel ab und zu Blumen, weil ich mich als romantischen Lover sehe? Setze ich mich regelmäßig (und ganz selbstverständlich) hinters Steuer, weil ich – sicherlich als Mann der bessere Autofahrer bin? Täusche ich einen Orgasmus vor, wenn meine Erektion nicht mehr mitmacht?

Ja, solche Überlegungen können heikel werden. Aber sie lohnen sich erst dann wirklich, wenn ich mal drüber nachgedacht habe, was ich für ein Bild von mir selbst habe. Und wenn ich dann schon grade dabei bin, könnte ich noch dazudenken, mit welchen meiner Reaktionen auf „sie“ zementiere ich „ihr Selbstbild“? Spätestens dann höre ich natürlich auf zu denken und schalte auf Autopilot.