Ab wann ist eine Frau definitiv zu alt für einen Mann? Auf diese Frage gibt es ebenso wenig eine Antwort, wie auf deren Umkehrung: Ab wann ist ein gestandener junger Mann für eine Dame fortgeschrittenen Alters nicht mehr akzeptabel? Klar ist ja auch, dass es – gerade in der Literatur und im Film-Genre – oft auch um die diesbezüglichen krassen Abweichungen von der Mainstreamdenke geht. Gerne werfe ich hier auch ein paar subjektive Betrachtungen mit in den Teich: Happs, Happs, Happs – so werden Vorurteile zementiert. Fangen wir doch mal an mit dem Teenie, der ich einst war. Frauen über 40 waren damals für mich Omas. Ich war mitnichten in der Lage zu unterscheiden, ob sie in der Straßenbahn einen Sitzplatz benötigten oder sich gar in ihrem inneren Kern das Feuer bewahrt hatten, einen Jungspund wie mich zuzureiten. Als potenzielle Partner für Geschlechtsverkehr existierten sie für mich damals schlichtweg nicht.

Ein Kuss auf der Treppe

Das änderte sich wenige Jahre später. Ich war Anfang zwanzig, Juniortexter in einer angesagten Werbeagentur, und mein Gegenüber am Schreibtisch eine attraktive Dame Anfang vierzig. Es war die Zeit, als noch nicht auf jedem Schreibtisch ein Rechner stand. Vielmehr sprach ich meine Texte in ein Diktiergerät, und jene mir an Lebenserfahrung und Weisheit weit überlegene Frau hatte zusätzlich zu ihren Pflichten als Kontakterin die Aufgabe, diese meine Worte per Schreibmaschine ins geschriebene Wort zu übertragen. Dann war da dieser Betriebsausflug an den Schliersee. Der erste Abend ein Fest der Verbrüderung zwischen den Chefs und den Angestellten. Heute gar nicht mehr vorstellbar. Es wurde geraucht und gekifft, gelacht und gesoffen. Und geknutscht: Meine Vierzigjährige, gestandene Mutter eines Sohnes im Teeniealter und ich hatten uns die Treppe eines dunklen Seitenaufgangs ausgesucht. Ich durfte erstaunt registrieren, dass ihre Lippen nicht im Mindesten schlechter mundeten, als die einer Gleichaltrigen. Im Gegenteil: Ein Hauch von reifer Süße schwang darin mit, so wie das Weinkenner von edlen Tropfen kennen. Natürlich war sie es, die einer Fortsetzung dieser Liason in der Zukunft einen energischen Riegel vorschob und damit auf viele Jahre unsere Freundschaft erhielt. Aber es war auch kein Zufall, dass ich nur wenige Monate später in Beziehung mit einer Enddreißigerin war. Das Aroma des reifen Weins hatte mich wohl getriggert und dazu gehörte dann auch Balkonsex auf der Waschmaschine in Sichtweite unserer Agentur … – etwas, worauf sich Mädels meines Alters wohl eher nicht eingelassen hätten.

Vom Jäger zur Beute?

Wie ich überhaupt auf diese uralten Geschichten komme? Nun, ich weile seit einigen Tagen in Agadir, einem touristischen Hotspot im südlichen Marokko. Jetzt, im Dezember (ich war hier noch nie zuvor), scheint dies auch ein mildklimatisches Refugium wohlhabender Damen vorzugsweise französischer Provinienz zu sein. Sie scheinen es zu mögen, dass ich französisch spreche. Ich kann nicht in ihre Köpfe sehen. Vermutlich haben sie ihre jetzt verstorbenen Exmänner mit kalorienreicher Kost und reichlich Wein frühzeitig zu Tode gebracht. Aber ich kann die Blicke und das Lächeln dieser zumeist über Sechzigjährigen deuten und da ist eine Botschaft: „Komm her Frischling! Ich reite dich zu!“