„Dinner for Two“ – und was Stolz und Würde damit zu tun haben
Stolz und Würde – zwei Wörter, die im Neusprech nahezu ausgestorben sind. Warum eigentlich? Beginnen wir mit dem Stolz. Der scheint ja zunächst einmal positiv besetzt zu sein: Ich bin stolz, meine Abschlussprüfung gemacht zu haben! Ich bin stolz, so fantastische Kinder zu haben! Ich bin stolz, so zu sein, wie ich bin! Wobei Letzteres schon entweder eine gewisse Reife oder schlichte Ignoranz widerspiegeln kann – da lohnt es sich nachzuschauen. Denn: Woran macht sich das fest? Weil ich Anregungen von außen gänzlich ignorieren kann? Oder weil ich so viel verdiene, dass mir die Meinungen meiner Mitmenschen scheißegal sind? Vielleicht ja auch, weil ich von klein auf gelernt habe, dass auf etwas stolz zu sein, zwei Schritte sind: Sich selbst ein Treppchen höher setzen, die anderen eins runter. Mensch-Ärgere-Dich-Nicht im Real Life sozusagen. Das kann man machen, aber macht das glücklich?
Was hat Stolz mit dem Thema Mann-Frau zu tun?
Ein guter Facebook-Freund von mir hat unlängst mit seinen Kindern Monopoly gespielt und darüber reflektiert, was es bei seinem Nachwuchs damit ausgelöst hat, dass er ständig gewonnen hat. Und musste erkennen: Gewinner machen sich keine Freunde, nicht einmal im Kreise der Blutsverwandten. Das Spiel war übrigens ursprünglich als Kapitalismus-Kritik gedacht. Wer mehr wissen will und sich fragt, weshalb der Spielspaß auf Dauer ausbleibt, der schlage gerne mal in der Wikipedia nach. So viel erst mal zum Stolz, der übrigens im Ranking der katholischen Kirche unter dem Namen „Superbia“ zu den sieben Todsünden gehört. Doch was hat Stolz mit dem Thema Mann-Frau zu tun? Eine rhetorische Frage, ich gebe es zu. Viel, wenn nicht gar alles, je nachdem wie Mann oder Frau gestrickt sind. Eine Menge jener Situationen, in denen Stolz gefordert ist, ereignen sich oft in der Anfangszeit, der Anbahnungszeit, heute würden manche platt „Bagger-Phase“ sagen.
Modus „Vorstellungsgespräch“
Denn die Frage ist ja: Wann fange ich an, Grenzen zu ziehen? Wo hebe ich Schützengräben aus? Sprich, wann geht es für mich an die No-Go’s? „Ups – hab ich niemals für mich so klar definiert und jetzt sitz ich hier beim ‚Dinner for Two‘ und kriege Fragen gestellt? Hilfe!“ Das hat sicher der eine oder die andere schon erlebt und das ist nicht schön. Was hilft da? Es ist das zweite Stichwort aus der Überschrift und in einem Text aus dem letzten Jahrhundert würde es tatsächlich „Würde“ heißen. Leider ist das Wort aus der Mode gekommen und eigentlich verstehe ich nicht, weshalb? In der zuvor beschriebenen Situation würden überaus viele Menschen der Jetzt-Generation herumdrucksen. Ein nahezu unbekannter Mensch fragt mich so was? Da schalte ich auf den Modus „Vorstellungsgespräch“ um. Sprich: Ich sag dir so viel, wie du fragst, aber keinen Tacken mehr. Motivations-Geschwurbel gibt es für Umme obendrauf.
Kein Geschwurbel, sondern Tacheles!
Stolz darauf sein, auch die Tiefen des eigenen Lebens durchschwommen zu haben, und der Kopf ist immer noch – in Würde! – über Wasser: Das ist doch eine fantastische Voraussetzung dafür, offen zu sein und erhobenen Hauptes und in Würde kein Geschwurbel von sich zu geben, sondern Tacheles! Ich sehe es so: Wer bei einem Tête-à-Tête bzw. Kennenlern-Gespräch nicht die inneren Hosen runterlässt, der wird das bereuen. Weil es nicht authentisch war. Das spürt dein Gegenüber. Das spürst du. War es zu viel Offenheit? Dann wirst du das auch spüren können und die richtige Distanz finden. Aber wenn du deinen Stolz und deine Würde zu oft in so einem Gespräch außer Acht gelassen hast, dann verlierst du irgendwann beides.