Stille Nacht, heilige Nacht – hatte einen krassen Traum in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember 2017: Ich begegne einem Wesen, eigentlich eher einer Wesenheit. Ich kann ihr Äußeres nicht erkennen, aber ganz schnell ist klar: Ich habe einen Wunsch frei und auch wirklich nur einen. Und ich werde dieses Wesen nur dann wieder treffen, wenn es wirklich will, dass ich ihm begegne – und das kann nur im Traum sein. So weit, so gut – „gibt es Grenzen“, frage ich es. „Keine Grenzen“, kam die gütige Antwort. Und was habe ich getan, ich elender Gutmensch? Ich habe mir spontan gewünscht, dass der komplette Plastikmüll aus den Süß- und Salzwassergewässern unserer Welt verschwindet. Noch im Traum kam es mir: Wie dumm kann man eigentlich sein?

Scheiß auf Plastikmüll?

Aber der Traum war ja noch nicht zu Ende. Da gab es ja noch so ne Art Rest-Ratio, die daran herum gerätselt hat, was besser gewesen wäre. Vielleicht gibt es ja eine zweite Chance? Scheiß auf Plastikmüll, was würde dir nutzen? Es ging schon auf das Morgengrauen zu, wohl kein Wunder, dass sich da eine Erektion entfaltete. Und wohl auch kein Wunder, dass sich der Traum nun um eine Optimierung meines Körpers, des Gefäßes meiner Seele, drehte. Es ging von Kopf bis Fuß: Hm, Glatze könnte bleiben, aber die Tränensäcke bitte weg. Bräune? Ja bitte Ganzkörperbräune, dann wirkt das nicht so unnatürlich. Muckis? Gerne ein bisserl mehr an den Oberarmen, soll aber nicht antrainiert wirken. Kurzer Gedanke an die sonstigen Wehwehchen – weg damit und hui! Große Bitte ans Universum, an DAS Wesen oder wie auch immer. Nix passiert und aufgewacht.

Reality-Check

Erstmal pinkeln gehen und Kaffee machen. Blick in den Badezimmerspiegel – Körperstatus unverändert; Kaffeehausbräune und kein Muskelzuwachs. Statt dessen melden sich die üblichen Gebrechen zu Wort. Mit der Kaffeetasse an den Rechner – der Plastikgehalt in den Gewässern scheint sich nicht verändert zu haben. Fuck! Was für ein blöder Traum! Dann doch lieber von Zombies durch schier endlose Gänge gehetzt werden als wirklich mit einer Hoffnung erwachen? Quatsch, denke ich mir im Nachhinein. Was kann denn besser sein als ein Tag, der mit einer aufrichtigen Hoffnung beginnt?

Die neue Frauenmacht ist nicht gegen den Mann gerichtet
und nicht gegen unsere Liebe zu den Männern.
Sie verlässt aber entschlossen diejenigen Strukturen,
die zu der weltweiten Vernichtung des Lebens
und der Liebe beigetragen haben.

Es liegt jetzt an uns Frauen,
die politische und sexuelle Verantwortung wieder anzunehmen,
die so lange gefehlt hat.
Wir laden alle engagierten Männer ein,
sich unserer Friedensarbeit anzuschließen.

Sabine Lichtenfels

Wenn die letzte Soap genüsslich ausgeschmachtet ist, dann lohnt es sich, einmal kurz innezuhalten und zu überlegen, was das eigentlich ist: Liebe. Erst mal: Sie fällt eindeutig nicht unter die Konsumangebote. Was heißt: Man kann sie nicht kaufen. Ein Stückchen weiter gedacht: Man kann sie also auch nicht verschenken, denn verschenken kann man nur einen Gegenstand von hier nach da.

Seufz, Liebe …

Wenn Liebe aber kein Gegenstand ist, was ist sie dann? Meistens wohl vor allem ein Etikett, das man auf vorfabrizierte Verhaltenspäckchen klebt: auf eine Affäre, die man dann beschönigend „Liebesaffäre“ nennen darf, auf eine Beziehung, die auf einmal „Liebesbeziehung“ heißt und auf eine Heirat, die als „Liebesheirat“ doch viel vertrauenserweckender klingt. Und die Liebesfilme … seufz, die Liebesfilme …

Liebes-Ballons …

Schon seltener ist die Liebe eine Idee. Die wird in Christmetten ebenso verkündet wie auf Internetportalen der freien Liebe. Das sind Es-Wäre-Schön-Wenn-Gedanken, die da wie Ballons auf einem Kinderfest – gut beschriftet und wohlgemeint – in die Luft steigen und auch ein bisschen auf ihre Verkünder zurückwirken wollen: Schaut mal, ist das nicht toll, was ich euch da verkünde? Aber es ergeht diesen Liebesideen wie allen Kinderfest-Ballons. Irgendwann entweicht ihnen das Helium oder sie werden schon vorher vom Regen zerstört und gehen als Gummi-Matsche zu Boden.

Liebe als Ausgang und Eingang …

Wenn Liebe aber auch keine Idee ist, was bleibt? Der Zustand, der Zustand der Liebe. Es ist der, der von keinen Klischees, Religionen und Moralkodices eingeengt wird, der selbst dann noch auftaucht und Heiterkeit, Freiheit und Wärme schenkt, wenn der Sex verpufft ist, die Gier erschlafft oder der Zorn verraucht. Es ist ein Raum, der keinem gehört und den alle betreten dürfen, die Heteros und die Homos, die Traurigen und die Witzbolde, die Armen im Geiste wie die Intellektuellen, die Arbeiter wie die Bosse, die Priesterinnen wie die Huren. Auch Tiere und Pflanzen finden dort ihren Platz; ja selbst das engste und kleinlichste Ego dieser Welt darf hinein und sich pudelwohl fühlen. Der Eingang zu diesem Raum ist zugleich der Ausgang aus dem Gefängnis des materiellen, geistigen und geistlichen Konsums, aus dem Kerker der Vereinnahmung, aus der Eitelkeit und Beliebigkeit der Ideen. Es ist der Eingang zu einem erlebten und gelebten Raum radikaler Annahme und Freiheit. Und dieser Raum hat einen Namen: Leben.

Es ist passiert. Gestern Abend im Snooker-Salon. Ich sehe einem marokkanischen Hipster mit Hut und Bärtchen und seiner jungen, schönen Gegnerin beim Spielen zu. Sie: lange glatte schwarze Haare, gertenschlank, anmutig in ihren Bewegungen und sie spielt auch noch gut. Es macht mir Spaß zuzuschauen. Dann sieht sie mir in die Augen, ein kurzes Lächeln umspielt ihre Lippen und es trifft mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel: Die ist es! Die will ich! Jetzt! So kreischen die Stimmen in mir unwillkürlich. Und das mir, dem das eigentlich nie passiert, dieses spontane, unbändige Begehren, dieses unbedingte Habenwollen aus dem Moment heraus.

In Homers Gefolge

Wie nennt man das eigentlich? Liebe auf den ersten Blick passt ja nicht, weil zu Liebe immer zwei gehören, weil Liebe auf Gegenseitigkeit beruht. Auch nach längerem Nachdenken finde ich kein passendes deutsches Wort für dieses Phänomen, am ehesten scheint es noch das englische „She’s got the look“ zu treffen. Aber warum gibt es diesen Effekt überhaupt? Das bringt doch nichts als Ärger? Betroffene in früheren Zeiten satteln ihr Pferd, reiten ins Nachbardorf, rauben das Objekt ihres Begehrens und lösen damit womöglich kriegerische Konflikte aus. Homers Geschichte von Paris und der schönen Helena lässt grüßen und beweist zugleich, dass das Phänomen durchaus Tradition hat.

Jetzt Stalker werden?

In der Gegenwart ist das mit dem spontanen Frauenraub alles andere als einfach und so neigen die „vom Blitz des allumfassenden Begehrens“ Getroffenen in ihrer Not heute eher dazu, das zu betreiben, was man neudeutsch auch als Stalking bezeichnet. Also „das willentliche und wiederholte Verfolgen oder Belästigen einer Person, deren physische oder psychische Unversehrtheit dadurch unmittelbar, mittelbar oder langfristig bedroht und geschädigt werden kann“, wie die Wikipedia erklärt. Dazu muss man allerdings ganz schön fleißig sein, denn „um als Stalkingopfer kategorisiert zu werden, müssen mindestens zwei verschiedene, die Privatsphäre verletzende Verhaltensweisen berichtet werden, wobei diese durchgehend mindestens acht Wochen andauern und Angst auslösen mussten“. Wahnsinn, oder?

Den Augen-Blick loslassen

Um das gleich mal klarzustellen – ich persönlich werde natürlich einen Teufel tun und dieser jungen Schönheit nachstellen, deren einziges Vergehen darin bestand, mich diesen einen Sekundenbruchteil zu intensiv angesehen zu haben. Man muss nicht Paul Watzlawicks „Anleitung zum Unglücklichsein“ gelesen zu haben, um zu wissen, dass es keinen Sinn macht, diesen Moment in realiter zu vertiefen. Ich werde – ganz im Gegenteil – in den kommenden Tagen, bis ich meinen Flieger zurück nach Deutschland besteige, den Ort dieser Begegnung meiden. Den Rest überlasse ich dann der Gnade des schwindenden Gedächtnisses, das zwischen den Klippen der Tage, Wochen und Jahre dieses Ereignis zu dem einschleifen wird, was es auf Dauer sein sollte: ein runder, großartiger Moment.

Ab wann ist eine Frau definitiv zu alt für einen Mann? Auf diese Frage gibt es ebenso wenig eine Antwort, wie auf deren Umkehrung: Ab wann ist ein gestandener junger Mann für eine Dame fortgeschrittenen Alters nicht mehr akzeptabel? Klar ist ja auch, dass es – gerade in der Literatur und im Film-Genre – oft auch um die diesbezüglichen krassen Abweichungen von der Mainstreamdenke geht. Gerne werfe ich hier auch ein paar subjektive Betrachtungen mit in den Teich: Happs, Happs, Happs – so werden Vorurteile zementiert. Fangen wir doch mal an mit dem Teenie, der ich einst war. Frauen über 40 waren damals für mich Omas. Ich war mitnichten in der Lage zu unterscheiden, ob sie in der Straßenbahn einen Sitzplatz benötigten oder sich gar in ihrem inneren Kern das Feuer bewahrt hatten, einen Jungspund wie mich zuzureiten. Als potenzielle Partner für Geschlechtsverkehr existierten sie für mich damals schlichtweg nicht.

Ein Kuss auf der Treppe

Das änderte sich wenige Jahre später. Ich war Anfang zwanzig, Juniortexter in einer angesagten Werbeagentur, und mein Gegenüber am Schreibtisch eine attraktive Dame Anfang vierzig. Es war die Zeit, als noch nicht auf jedem Schreibtisch ein Rechner stand. Vielmehr sprach ich meine Texte in ein Diktiergerät, und jene mir an Lebenserfahrung und Weisheit weit überlegene Frau hatte zusätzlich zu ihren Pflichten als Kontakterin die Aufgabe, diese meine Worte per Schreibmaschine ins geschriebene Wort zu übertragen. Dann war da dieser Betriebsausflug an den Schliersee. Der erste Abend ein Fest der Verbrüderung zwischen den Chefs und den Angestellten. Heute gar nicht mehr vorstellbar. Es wurde geraucht und gekifft, gelacht und gesoffen. Und geknutscht: Meine Vierzigjährige, gestandene Mutter eines Sohnes im Teeniealter und ich hatten uns die Treppe eines dunklen Seitenaufgangs ausgesucht. Ich durfte erstaunt registrieren, dass ihre Lippen nicht im Mindesten schlechter mundeten, als die einer Gleichaltrigen. Im Gegenteil: Ein Hauch von reifer Süße schwang darin mit, so wie das Weinkenner von edlen Tropfen kennen. Natürlich war sie es, die einer Fortsetzung dieser Liason in der Zukunft einen energischen Riegel vorschob und damit auf viele Jahre unsere Freundschaft erhielt. Aber es war auch kein Zufall, dass ich nur wenige Monate später in Beziehung mit einer Enddreißigerin war. Das Aroma des reifen Weins hatte mich wohl getriggert und dazu gehörte dann auch Balkonsex auf der Waschmaschine in Sichtweite unserer Agentur … – etwas, worauf sich Mädels meines Alters wohl eher nicht eingelassen hätten.

Vom Jäger zur Beute?

Wie ich überhaupt auf diese uralten Geschichten komme? Nun, ich weile seit einigen Tagen in Agadir, einem touristischen Hotspot im südlichen Marokko. Jetzt, im Dezember (ich war hier noch nie zuvor), scheint dies auch ein mildklimatisches Refugium wohlhabender Damen vorzugsweise französischer Provinienz zu sein. Sie scheinen es zu mögen, dass ich französisch spreche. Ich kann nicht in ihre Köpfe sehen. Vermutlich haben sie ihre jetzt verstorbenen Exmänner mit kalorienreicher Kost und reichlich Wein frühzeitig zu Tode gebracht. Aber ich kann die Blicke und das Lächeln dieser zumeist über Sechzigjährigen deuten und da ist eine Botschaft: „Komm her Frischling! Ich reite dich zu!“

„Was ich habe, ist Charakter in meinem Gesicht. Es hat mich eine Masse langer Nächte und Drinks gekostet, das hinzukriegen“ – das wusste schon Humphrey Bogart, und ich kann dem nur zustimmen. Aber was, wenn du einem dir unbekannten Menschen derart ähnlich siehst, dass dessen Bekannte dich tatsächlich für „Ihn“ halten? Mir ist das mit Anfang zwanzig zum ersten Mal passiert. Es fing damit an, dass die Türsteher meiner damaligen Stammdisco damit begannen, mich kostenlos reinzulassen. Plötzlich war da dieser wissende Blick, ein kurzes Nicken und schon war ich drin! Und dies, nachdem ich zuvor jahrelang brav meinen Eintritt bezahlt hatte. Hatte es damit zu tun, dass nun alle Welt erkannt hatte, dass ich wirklich cool war und endlich in der „Szene“ angekommen? Ironie aus: Ich gestehe, dass ich mir damals gar keine großen Gedanken gemacht, sondern dieses Procedere einfach nur als angenehm hingenommen habe.

Wilder Sex und großzügiger Drogenkonsum

Das änderte sich allerdings nur kurze Zeit später. Da gab es eine schöne junge Frau, die mir ausnehmend gut gefiel. Und weil ich in solchen Fällen durchaus zu Schüchternheit neige, war alles, was ich tat, sie stets anzulächeln, wenn sich unsere Blicke begegneten. Der Hammer war – sie lächelte zurück! Und so kamen wir eines Nachts zu fortgeschrittener Stunde ins Gespräch; am Rande der Tanzfläche, beide schon ziemlich angeschickert, sie schrie mir einiges ins Ohr, was ich nicht recht einordnen konnte. Ich schob das auf die brüllende Lautstärke und gedanklich weit von mir. Dann ging alles ziemlich schnell: Wir nahmen ein Taxi, fuhren zu mir und es folgte eine Nacht voll von unbändiger Leidenschaft, wildem Sex und großzügigem Drogenkonsum.
Am nächsten Morgen war sie weg, kein Zettel, keine Telefonnummer, nichts. Ich wollte natürlich mehr davon, aber was tun? Das einzige, was blieb, war natürlich jene Orte aufzusuchen, an denen wir uns immer wieder über den Weg gelaufen waren, und eine Woche später war es soweit: Da stand sie nun, lächelte mich schief an und offenbarte mir bei einem Bier, dass sie mich an jenem Abend verwechselt hatte. Sie hatte mich für einen angesagten Szenemusiker aus dem nahe gelegenen Schweinfurt gehalten. Nun dämmerte mir auch, wie ich zu dem plötzlichen freien Eintritt gekommen war und ja – das tat meinem Ego gar nicht gut. Übrigens bin ich mit dieser Frau auch heute noch befreundet, erst in jüngster Zeit habe ich sie in Berlin besucht und wir haben über die damaligen Ereignisse nochmals herzhaft gelacht.

Der Mythos der eigenen Einzigartigkeit

Weniger zum Lachen war der gedankliche Nachgang. Denn die Erkenntnis, dass der Anblick eines vermeintlich bekannten Gesichts ausreichen kann, um massive sexuelle Handlungen auszulösen, vermag schon mächtig am Mythos der eigenen Einzigartigkeit zu nagen. So gingen die Jahre ins Land, und da ich in dieser Zeit eifrig – im Sinne Humphrey Bogarts – an meiner Physiognomie arbeitete, wäre ich niemals auf die Idee gekommen, dass mir so etwas noch mal passieren könnte. Bis der „Graf“ kam. Damit meine ich den „Graf“ der Band Unheilig, dessen Konterfei mit seinem Hit „Geboren, um zu leben“ urplötzlich überall zu sehen war: Im Netz, in der Zeitung im TV – es gab kein Entkommen und das Schlimme war, dass ich damals nicht nur dieselbe „Frisur“, sondern auch eine sehr ähnliche Barttracht hatte. Fast noch krasser: Der hatte eine ähnlich tiefe Stimme und tanzte sogar wie ich, wie ich auf YouTube entdecken musste. Kurzum: Ob beim Bäcker oder beim „Schlecker“ (den gab es damals noch) – überall wurde ich auf diese Ähnlichkeit angesprochen. Meine damalige Frau fand das lustig und setzte noch einen drauf: Sie erstand auf Ebay einen „Grafenanzug“ und buchte für uns Karten für Unheilig, die ein Charitykonzert in einem Würzburger Möbelhaus gaben. Um es kurz zu machen: Der Graf entdeckte mich im Publikum und es gab jenen kurzen Moment, in dem wir uns in die Augen sahen und beide wussten: Einzigartig sind wir nicht auf dieser Welt, zumindest nicht optisch. Nach nur vier Liedern entschwand der „Graf“ zum Ausgang – zu einer weiteren Veranstaltung. Danach gab es es noch Häppchen vom Sternekoch und die Fans sorgten dafür, dass ich davon nichts abbekam: Hier ein Selfie und da ein Autogramm – meine Proteste, ich sei nicht „Er“, wurden fröhlich ignoriert. An diesem Abend lernte ich noch etwas: Ich will bitte nie ein Promi werden!

Übrigens haben wohl die Deutschen das Wort „Doppelgänger“ erfunden. Denn es wird in vielen anderen Sprachen verwendet, etwa im Englischen, Französischen, Italienischen, Portugiesischen und Spanischen, aber auch im Thai, Chinesischen und Russischen.

Menstruationsbeschwerden – mein erster praxisbezogener Kontakt mit diesem Begriff erfolgte in der 11. Klasse. Ich hatte herausgefunden, dass der dritte Direktor (der sinnigerweise auch noch Michel hieß) bereitwillig Krankmeldungen abzeichnete. Bei meinen ersten Versuchen mit den üblichen Beschwerden wie Kopf- oder Bauchschmerzen stellte ich fest, dass Direktor Michel überhaupt nicht durchzulesen schien, was da auf dem Krankmeldungszettel stand. Kühn schrieb ich fürderhin stets „Menstruationsbeschwerden“ auf meine Zettel – ohne jemals Widerspruch zu ernten. Ein kleiner Scherz am Rande meines Pennälerdaseins, aber ein großer Schritt in Richtung Gleichberechtigung der Geschlechter, wie ich aus Sicht der heutigen, gendergeschwängerten Realität anmerken möchte.

Von Primaten und Rüsselspringern

Weniger heiter war meine Wiederbegegnung mit diesem Begriff wenige Jahre später. Zu dieser Zeit hatte ich meine erste feste Beziehung, so richtig mit regelmäßigem Sex, wenn, ja wenn da nicht die „Regel“ gewesen wäre. Denn eine mir bislang unbekannte Regel besagte, dass man während der „Regel“ auf Sex zu verzichten habe. Das fand ich doof. Doch obwohl ich glaubhaft versicherte, dass es mich vor fließendem Lebenssaft und womöglich blutbedecktem Penis nicht gruseln würde,  fand ich kein Gehör. Wusste meine damalige Partnerin mehr als ich? Ich habe sie nicht gefragt, bin aber bei der Recherche zu diesem Text auf einiges in Sachen Menstruation gestoßen, was doch … erstaunlich ist! Wusstet  ihr zum Beispiel, dass die Menstruation nur bei höheren Primaten, darunter dem Menschen, einigen Arten von Fledermäusen und den Rüsselspringern vorkommt? Und bevor jemand fragt: Die Rüsselspringer sind eine Familie der Säugetiere in Afrika, kleine Bodenbewohner, die durch einen großen Kopf mit rüsselartig verlängerter Nase sowie durch einen langen Schwanz und dünne Gliedmaßen charakterisiert sind. Die Hinterbeine übertreffen dabei die Vorderbeine deutlich an Länge. Der Geschlechtsakt dauert in der Regel nur wenige Sekunden; das Männchen vollführt ihn in nahezu aufrechter Position. Wollte das jemand wissen? Viel interessanter ist doch der Fakt, dass die „Regel“ in der Natur eben nicht die Regel ist, sondern vielmehr eine krasse Ausnahme darstellt.

Frau „kann diese Unreinheit auch übertragen“

Das mag auch der Grund sein, warum –  zumindest in der Vergangenheit – die „Tage“ der menschlichen Gesellschaft oftmals suspekt waren. So wurde bis ins 20. Jahrhundert dem Menstruationsblut nachgesagt, es sei giftig und könne Lebensmittel verderben oder zum schnelleren Verderb beitragen. Andererseits sollte es auch magische Kräfte haben und war die Zutat vieler Zauber. Den Vogel schießen in diesem Zusammenhang mal wieder die so genannten Buchreligionen ab: So sah – wie viele andere christliche Gelehrte des Mittelalters auch – Hildegard von Bingen die Menstruation als eine Folge des Sündenfalls. Geht es krasser? Klar: Nach jüdischem Glauben hat im Körper der Frau ein Absterbeprozess stattgefunden. Sie wird deswegen als unrein betrachtet und kann diese Unreinheit auch übertragen.  Wer sie berührt, ist unrein bis zum Abend. Im Islam ist es während der Periode den Ehepartnern nicht erlaubt, miteinander den Geschlechtsakt zu vollziehen. Und während dieser Zeit ist der muslimischen Frau auch das typische rituelle Gebet nicht erlaubt. Wie auch immer – in meinem späteren Leben hatte ich lange Beziehungen mit zwei Frauen, die das Thema „Sex während der Menstruation“ weitaus entspannter sahen. Ich glaube, ich hab auch niemand mit Unreinheit angesteckt. Allerdings gab es doch einen Wermutstropfen: Bei beiden gingen die „Tage“ häufig mit Migräneschüben einher. Doch Migräne ist ein eigenes Thema, dem ich mich andernorts widmen werde. Fertig! Jetzt erst mal eine schöne „Bloody Mary“.

Männer sind schon irgendwie niedlich und einfach gestrickt. Gut erinnere ich mich noch an lang vergangene Nächte, in denen ich und wechselnde Kumpane beschlossen, in einen Club (damals hieß das noch Disco) zu gehen und Frauen anzugraben. Angraben? Dazu gibt es jede Menge Synonyme wie etwa anbaggern, anmachen, oder auch als Endziel – flachlegen. All diese Wörter haben gemeinsam, dass sie etwas Martialisches und nahezu Gewalttätiges an sich haben. Woher kommt das? Stammt das aus lang vergangenen Zeiten, als Brautschau mitunter auch so aussah, dass man ein Nachbardorf überfiel und die neue „Partnerin“ als Beute nach Hause brachte? Wie auch immer – „das Herz einer Frau im Sturm erobern“ hört sich für viele Menschen auch heute noch romantisch und nicht martialisch an. Was erstens fragwürdig und zweitens völlig realitätsfremd ist, wie ich gleich darstellen werde.

Alles so schön bunt hier

Wir gehen also hinein in den Club, er ist rappelvoll, die Frauenquote ist hoch, traditionellerweise vor allem in der Nähe der Tanzfläche. Die Sichtweite ist begrenzt, dank Schwaden von Trockeneisnebel, und die Lautstärke ist infernalisch. Jeglicher Gedanke, eine Frau zwanglos in ein Gespräch zu verwickeln, scheitert allein schon an Letzterem – jemandem ins Ohr zu brüllen, ist halt nicht wirklich verführerisch.  Zudem hat man als potentiell „angrabendes“ Männchen auch wirklich die Qual der Wahl – so viele attraktive Frauen, alles so schön bunt hier. Nun habe ich viele Kumpels, die in derlei Situationen wie folgt vorgehen: Sie gucken sich eine möglichst toll aussehende Grazie aus und suchen für den Rest der Nacht ihre Nähe (heute würde man dazu wohl schon stalken sagen). Nun ist es aber so, dass gerade diese extrem gut aussehenden Damen in ihrem Leben viele und häufig auch leidvolle Erfahrungen mit derlei Taktiken des männlichen Geschlechts gesammelt haben. Und so war das Ergebnis dieser Bemühungen sehr oft immer wieder das gleiche: Am Ende der Nacht standen sie mit leeren Händen da und gingen einsam und etwas traurig nach Hause.

Was Leonardo schon wusste

Nun zu mir: Ziemlich oft war es in derlei Nächten so, dass ich – im Gegensatz zu meinen Kumpels – den Nachhauseweg Arm in Arm mit einer Frau antrat. Wie es dazu kam? Dazu will ich zunächst Leonardo da Vinci zitieren, von dem der Ausspruch „Das Auge, welches man auch das Fenster der Seele nennt“ stammt. Oder, um das nach Helmut Glaßl zu konkretisieren: „Wer mit den Augen spricht, braucht keine Worte“. Man rufe sich ins Gedächtnis, dass in einem Club brüllende Laustärke herrscht und eigentlich nur bleibt, aufmerksam zu beobachten. Dass zwischen Mann und Frau eigentlich stets Damenwahl besteht habe ich hier ja bereits in Ansätzen beschrieben. Und so hatte ich ein waches Auge für das, was ich für mich im Stillen, immer als PBB bezeichnet habe. Dieses eher sperrige Kürzel steht für „Potenzieller Bereitschafts-Blick“ und meint nichts anderes, als den Damen aufmerksam in die Augen zu schauen. Und ja, natürlich auch auf Mimik und Gestik zu achten. Tust du das, so zeigt sich auch im Wabern der Nebelwerfer rasch, dass es auch in dieser Nacht, in diesem Club drei oder vier Frauen gibt, die dich attraktiv finden. Und in diesem Moment dreht sich der Spieß um und du kannst nun entscheiden, welche dieser Frauen du auch gut findest. Versuch’s mal – du wirst offene Türen einrennen.

Kennt ihr das? Du befindest dich mit deinem Partner in der Öffentlichkeit, mehr oder weniger verstohlen tauscht ihr Zärtlichkeiten aus. Mal ein Kuss, mal eine Berührung hier und mal ein wenig tiefer. Die Erregung wächst in euch. Und irgendwann gelangt ihr an einen Punkt, an dem die Lust so groß wird, dass ihr es am liebsten gleich tun wollt, jetzt, hier und auf der Stelle! Im „echten Leben“ geschieht das aber in der Regel nicht. Ihr schaut euch in die Augen, zahlt womöglich eure Rechnung und geht zu einem von euch nach Hause. Meine Erfahrung dazu: Bis man Zuhause angekommen, ist der magische Moment verflogen und was dann folgt, ist im Vergleich zu dem, was hätte sein können, nur schale Hausmannskost.

Freiluft-Sex – ein dehnbarer Begriff

Ein paarmal in meinem Leben war es allerdings anders und im Rückblick muss ich sagen, dass ich das mitnichten bereue. Und ich bin damit nicht allein: Umfragen zufolge hatten immerhin 60 Prozent der Menschen in Deutschland bereits Sex im Freien. Wobei im Freien ja ein dehnbarer Begriff ist: Wer sich auf der von einer meterhohen Sichtschutzhecke umgebenen Wiese des heimischen Gartenhauses verlustiert, mag ja durchaus seinen Spaß haben. Von Thrill kann hierbei aber keine Rede sein. Im Wald schaut das etwas anders aus, zumal dort auch die Außenbedingungen etwas widriger sind. Ich erinnere mich noch gut an eine laue Nacht am polnischen Ostseestrand, wo ich und eine dunkelhaarige Schönheit nach langem Vorspiel auf der Außenterrasse einer Diskothek schließlich beschlossen, den Schatten des naheliegenden Waldes aufzusuchen um „es“ zu tun. Dumm nur, dass wir nicht die einzigen waren, die auf diese Gelegenheit gewartet hatten: Kaum hatten wir uns unserer Kleidung entledigt, fiel eine mächtige Streitmacht von Stechmücken derart brutal über uns her, dass wir uns panisch wieder ankleideten und zurück an den Strand flohen.

No Risk, no Fun

Deutlich riskanter im polizeilichen Sinne waren zwei Erlebnisse, die ich in meiner Heimatdtadt Würzburg mit einer damals sehr reizvollen, üppigen Blondine hatte – mit der ich jedoch nie „regulär“ zusammen war. Vielmehr war das ein klassisches Beispiel für „occasional sex“: Die sexuelle Anziehung zwischen uns war so stark, dass wir bei zufälligen Begegnungen immer wieder übereinander herfielen. Da war zum Beispiel diese Nacht in Grombühl, wo ich sie eigentlich nach einem Grillabend heimfahren wollte. Dann Gefummel im Auto – alles so eng hier – und letztlich vollzogen wir das Liebesspiel an und auf dem Kofferraum. Doch weder Passanten noch die Polizei kamen vorbei – Glück gehabt! Eine enge Kiste im wahrsten Sinne des Wortes war eine andere Nacht mit ihr im Caveau, einer damals legendären Studentendisko. Gut wir saßen zunächst auf einer relativ weit in der Ecke gelegenen Bank des allerdings eher kleinen Clubs. Und wieder überrollte uns die Lust dermaßen, dass wir buchstäblich zu Boden gingen und unter dieser Bank taten, was getan werden musste. DAS war Thrill, denn im Raum waren locker 200 Leute, doch Puh! Auch diesmal kamen wir ohne Augenzeugen davon. Besser war das, denn in unserem jugendlichen Leichtsinn, Lustsinn wäre wohl der treffendere Begriff, machten wir uns gar nicht klar, dass unser Tun nach § 183a eine Erregung öffentlichen Ärgernisses darstellte, Zitat: „Wer öffentlich sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“

Das Weib – es macht die Höhle schön
Das Loch unsres Bewohnens
In jedem Winkel ist’s zu sehn
Fanal gekonnten sich Verschonens

Die Höhle ist ein heller Ort
Mit ganz verglasten Wänden
Ich frage mich in einem fort
Soll ich die Höhle schänden?

Soll ich das Wohlgefühl verblasen?
Wie Billigkerzen pustpustpust
Oder vergehn in Liebhab-Phrasen?
Ganz würdevoll und sehr bewusst!

Dass ich mich gleichwohl elend fühl
Verräterisch und mies
Weil mein Maul sich halten will
Honigsauer, salzigsüß

Geheim‘ ich triebelos dahin
Und flüsterposte nur mit mir
Respekt und auch Gemeinschaftssinn
Sind dem WgTier – eine Zier