Origien sind keinesfalls eine moderne Phantasie. In der Renaissancezeit nannten Spötter Rom den „Schwanz der Welt“. Mehr Prostituierte gab es nirgendwo. Papst Alexander VI. aus dem berüchtigten Geschlecht der Borgia veranstaltete (vermutlich) die reinsten Sexorgien. Und ein paar Jahrhunderte zuvor trieb es Johannes XII im Petersdom so wild, dass er wegen Unwürdigkeit gestürzt wurde. Dass unsere Altvorderen der Lust an der Lust weit mehr frönten als unsereins, der vor lauter Terminen gar keine Zeit für eine ausschweifende Orgie hätte, ist ein offenes Geheimnis. Hier wird es sinnlich und informativ beschrieben:

Keine und keiner von uns würde sich einen Lügner nennen. Und natürlich stimmt das auch. Wir halten so gut wie alles, was wir sagen, denken und fühlen, für wahr. Aber da täuschen wir uns ganz gehörig. Nicht die Lüge, sondern unser Glaube an die Wahrheit ist das Problem.

Die Psychologie weiß, dass ein Gros unserer Denkakte vor allem einem dient: unser Selbstbild aufrecht zu erhalten. Wenn der Herr Direktor seiner Putzfrau großzügig einen Zwanziger extra zusteckt und murmelt: „Sie machen Ihre Arbeit wirklich großartig“, dann wollen wir nicht gleich denken, er könnte sie das nächste Mal fragen, ob sie nicht erst bei ihm nach Büroschluss putzen möchte. Nein, nein, solche Direktoren sind die Ausnahme. Viel wahrscheinlicher ist der Direktor tatsächlich hoch erfreut über sein blitzsauberes Büro. Und weil er sich für einen großzügigen Menschen hält, zückt er eben den Zwanziger. Aber nun stellt sich eine Frage: Würde er das auch bei seinem Geschäftsführer tun? Natürlich nicht. Da müsste es wenigstens ein Zweihunderter sein. Mit dem Zwanni festigt der Herr Direktor also auch sein Gefühl: Ich bin ein Direktor und das ist meine Putzfrau.

Ein kompliziertes Terrain, auf dem man sich leicht verheddern kann. Täuschen ist ganz normal, sich täuschen und den anderen täuschen, ganz ohne Absicht. An dieser Stelle frage ich mich: Was tue ich, um gegenüber meiner Partnerin mein Selbstbild aufrecht zu erhalten? Schenke ich ihr zum Beispiel ab und zu Blumen, weil ich mich als romantischen Lover sehe? Setze ich mich regelmäßig (und ganz selbstverständlich) hinters Steuer, weil ich – sicherlich als Mann der bessere Autofahrer bin? Täusche ich einen Orgasmus vor, wenn meine Erektion nicht mehr mitmacht?

Ja, solche Überlegungen können heikel werden. Aber sie lohnen sich erst dann wirklich, wenn ich mal drüber nachgedacht habe, was ich für ein Bild von mir selbst habe. Und wenn ich dann schon grade dabei bin, könnte ich noch dazudenken, mit welchen meiner Reaktionen auf „sie“ zementiere ich „ihr Selbstbild“? Spätestens dann höre ich natürlich auf zu denken und schalte auf Autopilot.

Die Zahl der Eheschließungen steigt wieder. Und das wundert mich bei genauem Hinsehen nicht. Zweifellos war der Ruf der Ehe in den letzten Jahrzehnten, spätestens seit den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, lädiert. Sie galt und gilt vielen jungen Leuten als der Inbegriff von veraltet, als eine erstarrte Form. Und so fühle ich mich manchmal auch: wie eingebacken und unbeweglich, wenn mein Mann – oder sollte ich jetzt sagen: mein Gatte – schnarchend neben mir liegt und ich mich selbstbefriedige. Dass er lieber mit seinen jungen Kolleginnen flirtet und die eine oder andere ihm auch zum Opfer fällt, wundert mich nicht. Ich bin aus der Form geraten. Und nach 34 Jahren Ehe weiß Gott nicht mehr die frischeste. Er ahnt, dass ich es weiß, und ich sorge dafür, dass er es ahnt, ohne unser eingespieltes Team durch Blitz und Donner zu gefährden.

Ehe ist wie eine Party: manchmal auch langweilig

Ja, wir sind ein eingespieltes Team, verheiratet, zwei Kinder. Wir mögen uns und wir halten zusammen. Seit zwölf Jahren arbeite ich wieder in einer Agentur, darf kreativ sein und stehe meine Frau. Es geht uns gut, materiell und seelisch, ich vermute auch ihm. Alles fühlt sich „okay“ an. Und unsere Ehe hat daran einen großen Anteil.

„Okay“? Ich weiß, „okay“ ist für junge Leute kein Ziel, das man mit einer Partnerschaft anstrebt. Okay klingt dröge, nach tief eingegrabenen Fahrspuren, dem immergleichen Trott. Auch wir waren sterbensverliebt und haben vor Lust aufeinander gezittert, wenn wir ihr grade mal nicht nachgeben durften. Auch wir wollten den Himmel stürmen. Mindestens.

Am besten gebe ich’s gleich zu: Ja, manchmal ist mein Leben langweilig, so langweilig wie der Rhein vor unserer Haustür, der heute träge dahinfließt, so dass man kaum weiß: Fließt er nach links oder nach rechts? Aber gibt es nicht auf jeder Party auch langweilige Momente?

Ehe lässt Vertrauen wachsen

Der Hauptvorwurf gegen die Ehe ist ihre formelle Sicherheit. Doch gerade das ist ihre große Stärke. Zur Liebe gehören nämlich auch Vertrauen und der Wunsch nach Geborgenheit. Beide gewinnen an Kraft, wenn ich einen Mann an meiner Seite weiß, der bereit ist zu sagen: „Ich bin immer für dich da! In guten wie in schlechten Zeiten.“ – ohne Gütertrennung. Und schlechte Zeiten gibt es garantiert. Dazu müssen gar nicht erst die rosa Wolken verflogen sein. Eine verpatzte Prüfung, ein fieser Chef, eine Krankheit, ein gestorbenes Kind können meinen Lebensweg und meine innere Landschaft schnell und radikal verändern. Wie gut, wenn ich dann jemanden habe, auf den ich mich verlassen kann.

Dann kann ich mich öffnen, mich ganz hingeben, kann ganz ich sein. Vertrauen darf nicht mit blindem Glauben an den anderen verwechselt werden, Vertrauen wächst. Es ist nicht auf einmal da, sondern bekommt mit jeder überwundenen Hürde einen neuen Wachstumsschub. Und mit jedem Stückchen mehr Vertrauen wandelt sich Verliebtheit ein wenig mehr in Liebe.

Natürlich ist all dass auch möglich ohne Trauschein. Vertrauen kann zweifellos auch ohne dieses Papier wachsen. Aber ich fürchte, seine Wachstumsbedingungen sind ohne Ehe schlechter, gerade in diesen unsicheren Zeiten. Wer hätte gedacht, dass ich hier ein Plädoyer FÜR die Ehe schreibe? Ich am allerwenigsten.

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Liebe auf den ersten Blick – soll es geben. Weit häufiger ist aber wohl die Liebe auf den 50. Blick, der uns dann endlich sagt: „Sie ist wirklich ‚super‘.“ Auch bei Frauen soll gelegentlich der Liebesblitz einschlagen, aber vermutlich erst beim 75. Blick. Frauen testen länger, ist meine Erfahrung. Und je mehr Erfahrung sie mit dem scheinbar starken Geschlecht haben, desto seltener sind sie zu einer Partnerschaft bereit; sie wollen sich nicht die Finger versengen lassen.

Lohnende Arbeit für die Partnerschaft

Aber irgendwann „schnackelt’s“ eben doch mal und der rosa Nebelwerfer gerät in Fahrt. Lichtet sich der Nebel, weil der Rosenmonat vorbei ist – oder die Rosenjahre –, bleibt meist doch noch genug Positives in der Partnerschaft, um an IHR oder IHM festzuhalten. Bevor uns aber gar nicht mehr einfällt, was wir an unserem Partner einstmals so bezaubernd fanden, sollten wir ein paar Kilojoule „Beziehungsarbeit“ investieren.

Natürlich muss man nicht so lange warten. Früher damit zu beginnen lohnt sich, weil man dann viel länger viel mehr voneinander hat. John Gottman, Professor für Psychologie an der University of Washington, schrieb schon vor Jahren ein Buch, das man als das „Grundlagenwerk der Beziehungsrettung“ bezeichnen könnte. Darin gibt er zu bedenken, dass man sich nur dann streitet, wenn noch eine innere Bindung vorhanden ist. Streit in einer Partnerschaft ist also nicht grundsätzlich negativ.

So funktioniert „guter Streit“ in der Partnerschaft

Doch mit 7 fundamentalen Tipps streiten Paare wirkungsvoller, solange sie noch einander wohlgesonnen sind:

  1. Macht in friedlichen Zeiten eine Art Streit-Vertrag miteinander. Legt ein paar einfache Regeln fest, die beiden einsichtig sind und die zu befolgen beide bereit sind. Schließlich sind es ja die eigenen Regeln. Vielleicht hilft der Gedanke, dass ein Disput nur dann Sinn ergibt, wenn man zu irgendeinem Ergebnis kommt. Ein Punkt sollte im Vertrag vorkommen: Was tun wir, wenn einer von uns das Gefühl hat, der Streit ist zwecklos?
  2. Installiert ein Signal oder Wort – zum Beispiel „Stop!“ –, das eine sofortige Streitpause erzwingt. Dann geht man ohne weiteren Disput auch räumlich eine Weile auseinander, bis sich die Gemüter abgekühlt haben. Mit einem Streitstop-Signal lässt sich mancher schöne Abend oder sogar Urlaub retten. Ein Stop ist aber nur dann sinnvoll, wenn das Thema weitergeführt wird. Dafür sollte es nach dem Stop einen neuen Termin geben.
  3. Überlegt euch, womit sich jeder am besten abregt. Der eine mag vielleicht meditieren, der andere macht Liegestützen.
  4. Überlegt, was der tiefere Grund hinter der Kleinigkeit ist, weshalb ihr euch in die Haare kriegt. Was ist euch so wichtig, dass ihr ein Kinkerlitzchen zum Anlass nehmt, dem anderen an den Hals zu fahren. Sprecht über dieses Wichtige und nicht über die „Zahnpastatube“.
  5. Wenn ihr neu in den Ring steigt, idealerweise auch schon zum ersten Mal, vereinbart einen Zeitraum, an dem ihr das Thema (vorerst) beendet. 20 Minuten sind eine gute Zeit. Stellt den Wecker.
  6. Überlegt euch, was auf dem Spiel steht, falls euer Streit schlimm endet. Wollt ihr diesen Verlust wirklich riskieren?
  7. Bemüht euch vor dem Gespräch um ein möglichst gutes Klima. Dazu gehört auch die eigene Wachheit. Vorsicht mit Alkohol!

Buchempfehlung: John M Gottman, Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe (antiquarisch erhältlich)

Weitere Tipps: http://www.ev-kirche-dortmund.de/uploads/media/tipps_streitpaare.pdf

„Guys we fucked“ nennen die beiden Amerikanerinnen Krystyna Hutchinson und Corinne Fisher ihren Podcast. Das will und soll provozieren, denn schließlich drehen die beiden den Geschlechter-Spieß herum. Daran werden auf einmal keine Mädels über dem Feuer männlicher Lust geröstet, sondern umgekehrt, die Guys werden „verheizt“. Doch es steckt weit mehr hinter dem krassen Titel, wie sein ergänzender Slogan „The Anti-Slut-Shaming Podcast“ klarstellt: ein neuer weiblicher Emanzipationsschritt – die Ankündigung, dass frau die Schlampen-Etikettierung („Slut“) nicht mehr hinnehmen mag; dass frau sich nicht mehr dafür schämen muss, wenn sie ganz einfach auch mal Lust auf die Lust hat.

Seien wir doch mal ehrlich: Mädels, die es wild treiben und sich Jungs „nur so zum Spaß“ schnappen, sind in bürgerlichen Kreisen alles andere als gesellschaftsfähig. Dort sähe man die Schwiegertochter doch eher noch züchtig, während man dem eigenen Sohn den Parcours durch die Betten als „Vorbereitung aufs Leben“ durchgehen lässt. Der eigene Sohn „gefickt“? Undenkbar.

Dass Hutchinson und Fisher den Nerv vieler junger Frauen in den USA getroffen haben, belegt die Zahl ihrer Abonnentinnen: über eine halbe Million. Es ist anzunehmen bzw. zu hoffen, dass sich auch junge deutsche Frauen nicht mehr mit dem Bild des „züchtigen (und vielleicht sogar nicht mehr ganz so jungen) Mädchens“ identifizieren, ohne deswegen gleich ins Vamp-Lager überwechseln zu müssen. Vielleicht darf Spaß am Sex auch für Frauen ganz normal sein.

Den Original-Podcast findet ihr unter https://soundcloud.com/guyswefucked.

Mehr zum Thema HIER und HIER

[Foto: pixabay_xusenru]

 

„Die Oma würde ich nicht von der Bettkante stoßen.“ Zugegeben, der Spruch lag mir noch nie auf den Lippen. Was nichts über die Attraktivität älterer Frauen aussagt, sondern vor allem über meine eingefahrenen Denk- und Fühlgewohnheiten. Ebenfalls zugegeben: Junge Frauen werden ihren Reiz auf mich wohl bis kurz vor dem Krematorium behalten – was einerseits etwas über Evolution aussagt, aber eben auch über Verhaltensmuster.

Mit 32 Jahren hatte ich mich in eine wunderbare Frau verliebt. Stumm und ohne Offenbarung, denn erstens war sie Pfarrerin und zweitens war ich verheiratet mit damals noch zwei Kindern. Das Spannende daran: Irgendwann erfuhr ich, dass sie vier Kinder hatte und 48 war. Aha.

Heute denke ich: Das war mein Zugang zur Liebe im Alter. Heute bin ich über 30 Jahre älter, aber an meinem Gefühlsrepertoire hat sich fast nichts geändert. Fast. Und dieses „fast“ hat es in sich: Ich spüre eine viel größere Geduld in mir, eine viel größere Freude an langsamer, feiner Entwicklung von Zuwendung und Zärtlichkeit. Ob sich dann daraus mal Sex entwickelt oder nicht, ist beinahe egal. Was nicht heißt, dass mir ein One-Night-Stand nicht auch mal gelegen käme. Nur: Wichtig ist er gar nicht mehr, er erscheint mir eher wie ein Eingangsportal zu Beziehungsproblemen, die ich nicht mehr brauche.

Zwei Drittel aller Deutschen über 65 haben noch Sex, erzählt uns Klaus Beier, Leiter des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Charité, schwächt das Thema aber gleich ab, indem er die sinkende Koitus-Frequenz betont. In gleich welchem Alter gehe es uns um „Nähe, Annahme, Sicherheit und Geborgenheit“, um „Geborgenheit“. Stimmt, so ist das. Und genau genommen: Das war auch vor 30 Jahren so.

Freie Liebe ist grade mega-in. Begonnen hat aber alles schon viel früher, mindestens im alten Griechenland vor zweieinhalbtausend Jahren. Damals verführte Zeus bekanntermaßen, was das Zeug hielt. Jede irdische Verkleidung war ihm recht, solange er an die Menschinnen rankam: Stier, Schwan, Adler, Kuckuck. Und noch so manche anderen Götter und Göttinnen hatten sich dem Thema Liebe verschrieben: Aphrodite, Eros, Pan und Dionysos.

Vielleicht ist das ja der tiefere Grund, weshalb die Griechen neben den Brasilianern bis heute als die „Sexweltmeister“ gelten. Mit Sicherheit aber haben die Christen Pans Bocksfüße genutzt, um ihn in den Teufel zu verwandeln und die gesamte Wollust zur Sünde zu machen. Aber das ist ein anderes Thema. Fest steht jedenfalls, dass die alten Römer die noch rituell gezügelten griechischen Orgien übernahmen und in erotisch-sexuelle Volksveranstaltungen verwandelten. Im Rom der Zeitenwende durften alle mit allen: Männer mit Männern, Frauen mit Frauen, Erwachsene mit Kindern.

Für die Christen im alten Rom war diese Zügellosigkeit ein gefundenes Fressen. Zwar zeigte sich so mancher frühe Papst als den spätrömischen Verlustierungen durchaus zugänglich, doch generell wurde freie Liebe als „Sünde“ abgeschrieben – jahrhundertelang. Monogamie galt als das normativ richtige, „normale“ Verhalten, vor allem für Frauen; Männer durften fremdgehen. Grundlegend zu ändern begann sich das erst, als Ende des 19. Jahrhunderts amerikanische Feministinnen es ablehnten, Männern ihren Körper zur Verfügung zu stellen, nur um wirtschaftlich versorgt zu sein. Für sie war die bürgerliche Einehe eine Art von institutionalisierter Prostitution. Der Wiener Arzt Wilhelm Reich entdeckte schließlich Anfang des 20. Jahrhunderts die sexuelle Zwangsmoral als Ursache von Neurosen. So beförderte ihn auch die Hippiebewegung, die freie Liebe für jedermann propagierte, zu ihrem „Guru“.

Als Sexguru bezeichnete die westliche Presse den indischen Gelehrten und Philosophen Chandra Mohan Jain, der sich später Bhagwan und schließlich Osho nannte. Für ihn waren Erotik und Sexualität mögliche Instrumente innerer Befreiung. Seine Jünger, die Sannyasins, waren für die meisten westlichen Linken und Reformer spirituelle Spinner, die zugunsten ihrer emotionalen Befindlichkeit auf gesellschaftlichen Wandel verzichten. Ganz in der Nachfolge der Amerikanerinnen war für viele Linke die „Kommune“ ein Befreiungsinstrument, gerichtet gegen die bürgerliche Kleinfamilie.

In Form der Polyamorie erobert die Freie Liebe heute auch die gesellschaftskritischen Schichten. Hier geht es nicht mehr um das Abwerfen von Zügeln, nicht mehr gegen die alte Moral, sondern um eine Bewegung hin zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dem eigenen Gefühlsrepertoire – wozu eben auch die Sexualität zählt. Polyamorie grenzt sich ab von Polygamie und geht weit über die Monogamie hinaus. Aber auch das ist eine – spannende – weitere Geschichte.

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Rosa Rose,
Karmesin,
Granat,
Meerbusen der Peloponnes,
Gift,
sheer,
lips drive crazy,
Melone & Ananas,
ma reigne de dessous …

Claude-Oliver Rudolph

Es gibt Blüten, vor denen möchte man die Knie neigen, so schön sind sie – auch als Mann. Sie berühren unsere inneren Saiten so sehr, dass wir schier zu zittern beginnen. Zumindest dem einen oder anderen von uns geht das so. Geschehen kann uns das auch beim Anblick einer Frau, ganz unabhängig übrigens von dem jeweiligen Schönheitsideal, das sie erfüllt. Es ist dieses Göttinnen-Gefühl, das SIE dann in uns zum Schwingen bringt und das uns schier überwältigen kann.

Aber darf „Mann“ von einer Frau so verschwenderisch schwärmen?

Wenn nein, was geschieht dann mit seiner Fantasie und Leidenschaft? Schiebt er sie unter den Teppich von guter Sitte und Prüderie und belügt sich selbst (und SIE)? Schlägt er den Schmetterling in seiner Seele tot wie ein störendes Insekt? Weil seine Umgebung ihn vielleicht belächelt oder für entartet hält. Weil seine Schwärmerei nicht zu seiner Männlichkeit passt? Weil SIE ihn dann nicht mehr ernst nimmt. Oder sich von ihm angemacht fühlt?

Wenn ja, was wäre die angemessene Form? Natürlich gibt es die konventionellen Wege der Annäherung, der genährten Hoffnungen über Stunden, Wochen oder Monate hinweg. Die Schmeicheleien, die Komplimente, die Blumen, die „zufälligen“ Berührungen. Doch was, wenn der Blitz ihrer Erscheinung ihn auf der Straße trifft bei einer zufälligen Begegnung; wenn SIE im gleichen Zugabteil sitzt und ihr Lächeln ihm den Atem raubt oder ihre Stimme im Café zwei Tische weiter bei ihm Schauer der Lust auslöst? Kann er dann zu ihr gehen und aus tiefster Überzeugung sagen: „Pardon, darf ich Ihnen gestehen, dass mir Ihre Schönheit den Atem raubt? Dass ich mich Ihnen am liebsten zu Füßen werfen möchte, wenn die Situation dies erlaubte?“ Nein, das darf er natürlich nicht. SIE würde denken: Der Kerl ist komplett durchgedreht. Wo ist die Polizei? Gleich geht er mir an die Wäsche. Hiiiiiilfe!

Also tut er es nicht. Also erschlägt er seine Begeisterung für SIE wie einen fetten, haarigen Nachtfalter, der im rechten Licht doch auch ein Pfauenauge sein könnte. Er verbannt Poesie und Hingabe aus seinem (und ihrem) Leben, weil Begeisterung für eine Frau eben verrückt ist und natürlich auch nicht politisch korrekt. Denn wer weiß: Könnte SIE sich nicht als Objekt seiner Fantasie empfinden, missbraucht von seiner Begeisterung? Ganz ausgeschlossen ist das nicht. Und weil er ja so sehr für SIE schwärmt, würde er ihr diese Schmach nie antun wollen – und hält seinen Mund.

Noch mehr und ganz und gar ausgeschlossen ist SELBSTVERSTÄNDLICH (?), dass SIE  sich IHM erklärt. Oder?