Schlagwortarchiv für: Nähe

Lange blickte er noch zum Ausgang der Passage, wohin dieses bezaubernde Wesen entschwunden war. Warum hatte sie sich nicht noch einmal umgedreht? Sie war auf seine Ansprache eingegangen. Es hatte sich ein sehr spannendes, gar unfassbar vertrautes Gespräch, über ihre „Göttlichen Gemetzel“, schließlich über ihrer beider Seelenheimat Sizilien entwickelt. Diese Frau war so ungewöhnlich wie ihre Frisur. Würde er sie noch einmal wiedersehen können? Er hatte ihre goldene Karte. Er würde sie nun über ihre E-Mail-Adresse anschreiben. Am besten zu einem Dinner einladen. Etwas Besonderes würde zu ihr passen. Sie strahlte so ein französisches Flair aus. Er hatte während seines Single-Daseins des Öfteren die Austern im Café de Normandie am Otto-Platz genossen. Zuletzt hatte er dort an einem Sonntagnachmittag seinen „Schwarzen Gürtel“ im Karate-Do gefeiert. Für den hatte er mehrere Jahre trainiert und ihn dann endlich errungen. Da war das Café de Normandie angemessen. Dort wollte er sie am Samstagabend treffen. Gleich am nächsten Tag schrieb er ihr eine Mail und lud sie ein. Dann wartete er mit brennendem Herzen, ob und welche Antwort kommen würde. Nach einer gefühlten Ewigkeit machte es „Bing“. Nachricht von German Wunderwerk! Juhu! Er machte einen Luftsprung! Ganz in Karate-Manier. Ja, sie sagte zu. Große Vorfreude stieg in ihm auf, sie wiederzusehen.

Als er im französischen Café reservieren wollte, sagte man ihm, dass er einfach vorbeikommen solle. „Samstags nehmen wir keine Reservierungen an!“, blaffte der blasierte Kellner. Er entschloss sich, bereits sehr viel früher hinzugehen, um einen Platz zu ersitzen. Als er den Otto-Platz erreichte, hörte er eine Woge von Menschen, die dort den Samstagnachmittag einfeierten. Die „Beautiful People“ (?) of Düsseldorf standen angetrunken in Scharen auf dem Marktplatz. Es herrschte eine aufgeregte Stimmung, fast wie bei einem Fußballspiel. Dabei hatte die Europa-Meisterschaft noch gar nicht angefangen … Die angeheiterte Menge hielt Kunststoffbecher gefüllt mit alkoholischen Getränken in den Händen. Die Atmosphäre glich der der zweiten Düsseldorfer Residenz: des Ballermann auf Malle. Häufig gingen Becher, manchmal gar ein Betrunkener zu Boden. Er nahm Notiz von den trunkenen Partygästen, doch er war vollkommen auf sein Ziel fokussiert. Im Café de Normandie kam er gerade rechtzeitig an, um einen der begehrten Plätze vor dem großen Spiegel an der Rückwand zu ergattern. Mit einer Flasche Wasser wartete er auf sie. Mehrere Stunden. Mit vorfreudigem, allerdings auch bangem Herzen. Würde sie rechtzeitig kommen? Würde sie überhaupt kommen? Die wiederholte Ansprache des Kellners, ob er etwas bestellen wolle, ignorierte er intensiv. „Nein, ich warte.“

Dann sah er sie. Ihre Erscheinung war so außergewöhnlich wie bei ihrer ersten, magischen Begegnung. Mit ihrer Turmfrisur war sie unverkennbar. Er stand auf und winkte wild mit den Armen. Sie sah ihn und kam auf ihn zu. Ihr schönes Gesicht mit den himbeerrot geschminkten Lippen unter den grün-blau-grauen Augen strahlte ihm entgegen. Was für eine Frau! Sie trug ein kurzes grünes Kleid aus italienischer Spitze, das ein wunderbares Dekolleté und ebensolche Schultern freigab. Nein, einen BH trug sie nicht. Dem gegenwärtigen Trend geschuldet oder ihre Eigenart? Ihr straffer Busen lugte frech durch die Spitze. Das fixte ihn an. Die gesamte Komposition wurde abgerundet durch schwarze Spitzenstrümpfe, die ihren festen, wohlgeformten Schenkeln großen Reiz verliehen. Ihre Füße steckten in goldenen High Heels. Ein lebendes Kunstwerk. Neben einer tonnenschweren pinkfarbigen Tasche (sie trug wohl ihr halbes Leben darin?) hielt sie einen fellgefütterten schwarzen Mantel in ihren Händen. Er nahm ihr den Mantel und die schwere Tasche ab und half ihr auf den Platz unter dem Spiegel. Er bedankte sich bei ihr für ihr Kommen und wagte eine flüchtige Umarmung. Sowie drei zarte Küsse auf die Wangen, während deren er ihren wundervollen Geruch wahrnahm. Fürwahr, ein berauschender Duft umgab sie. Es war jene Mischung aus dem Duft ihres Körpers und Shalimar, wie er später erfahren sollte. Schnell einigten sie sich auf Austern und anschließend Fisch. Eine Sorte, die sie, sich outende und bekennende „Eßthätin“, noch nicht kannte. Sie nickte neugierig und ihre grünen Augen strahlten voller Vorfreude auf den Gaumengenuss. Muscadet dazu gefiel ihr. Er versuchte ihr zu erläutern, wie er Austern am liebsten verspeiste. Nach der Auster mit einem kräftigen Schluck Vin Blanc. Aber er merkte, dass es angesichts der Geräuschkulisse schwierig werden würde, zu ihr durchzudringen. Auch ließ es der Service am allernotwendigsten mangeln. Es war wie auf der Oberkassler Kirmes: Laut, voll und absolut unentspannt. So fühlte auch er sich und fuhr sich ständig durch die kurzen weißen Haare, während sie ihn schelmisch beobachtend anlächelte mit einer Nonchalance, die ihn an Mona Lisa erinnerte. Nachdem endlich die Austern eintrafen, musste er dem Kellner noch Messer und Teller abringen. Quelle Malheur, obwohl die Austern ja sowieso geschlürft wurden … Ein sinnlicher Akt, den sie nun beide genossen.

Inzwischen hatte ein junges Paar neben ihnen Platz genommen. Der junge Mann tat seine Abneigung gegen Austern laut kund, was seine Partnerin verärgerte. Auch interessierte er sich mehr für die aufmerksamkeit-erweckende, attraktive Frau in Grün mit der barocken Turmfrisur als für seine Partnerin, so dass beide das auffällige Paar an ihrer Seite sehr aufmerksam beobachteten. Diese ungefragte Aufmerksamkeit der Tischnachbarn verstärkte seinen Stress zusätzlich zum Lärm im Hintergrund. Sie wollte wissen, was er beruflich mache. Er erklärte, dass er mit Wasserstoff zu tun habe, so dass er ihr das anstehende Projekt erläutern wollte. Himmel hilf. Er ging wissenschaftlich und leidenschaftlich in Details, die bei diesem Lärm und für ein erstes Date völlig unpassend waren. Ihre grünen Augen wanderten gen Decke. Dieser Mann war ein wundersamer Nerd und definitiv Date-unerfahren. Dennoch: Sie mochte ihn und fühlte eine starke Verbundenheit mit seiner Seele! Sie hörte mit großem Ernst zu und fragte zurück. Leider verstand auch er nur Fetzen, so dass er versuchte, aus den Fetzen ihre ursprünglichen Fragen zu rekonstruieren. Er erkannte, dass er den Ort für ein erstes Date nicht schlechter hätte wählen können. Und doch lief es ganz gut. Sie war geduldig mit ihm. Sogar liebevoll? Er erkannte es am Glanz ihrer Augen, die so wahrhaftig und wirklich in diesem wunderbaren Smaragdgrün blitzten. Gleichzeitig blickte sie ihm so intensiv in die Augen, als ob sie die Fenster zu seiner Seele öffnen würde. Sie bemerkte, dass seine Augen einen schönen bernsteinfarbenen Glanz hatten. Er fühlte, dass sein Gesicht blutrot wurde. Es lag Zärtlichkeit in der Luft. Sinnlichkeit. Gar Erotik. Nach einigen weiteren Scharmützeln mit dem Kellner und einem dann doch halbwegs gelungenen Dinner mit eisgekühltem Muscadet sowie einem geteilten Dessert – selbstverständlich Crème brulée, von der sie allerdings nur einen Anstandslöffel nahm (die Lady achtete auf ihre bella figura) –, durften die beiden diesen Ort verlassen. Was nun? Er nahm ihren Mantel und schlug ihr vor, zunächst einmal bis zur Kö zu laufen. Da gäbe es einen Taxistand. Sie blickte wenig begeistert und hielt ihre High Heels hoch. Er begriff, dass ihre schicken Stilettos wenig für einen solchen „Fußmarsch“ geeignet waren. Das Café de Normandie empfahl ihnen einen Taxistand hinter dem Otto-Platz. Dorthin pflügten sie sich durch die Partyszene. Auf dem Weg nahm er sie beschützend in den Arm, sie schmiegte sich zärtlich an ihn. Es schien ihr zu gefallen. Er fühlte die ungeheure Zierlichkeit und Verletzlichkeit dieser Frau, die ihm schon im Café aufgefallen war. Was für eine lovely lady. Er konnte nicht anders, als sie in sein Herz zu lassen. Fürsorglich öffnete er ihr die Tür zum Taxi und half ihr beim Einsteigen. Nachdem er die Tür sorgfältig verschlossen hatte, nahm er neben ihr Platz. Sie orderte Skrupellos-Straße 8. Eine kleine, charmante Straße und ein auffälliges gelb-blaues Haus. Er brachte sie zur Tür. „Was nun? Der Abend ist zu schön, um schon zu enden!“, wagte er sich vor. Sie lächelte erneut ihr schelmisches Mona-Lisa-Lächeln. „Nun, wir könnten noch ein Glas Wein auf meiner Dachterrasse trinken und uns endlich verständlich unterhalten! Allerdings gilt es, fünf Stockwerke zu erklimmen!“ Er grinste breit. Als trainierter Karate-König und Bergwanderer waren fünf Stockwerke für ihn ein Klacks. Das marmorne Treppenhaus des Mehrfamilienhauses offenbarte allerlei Eindrücke und wenig angenehme Gerüche. Doch der Aufstieg in den fünften Stock lohnte sich. Sie schloss die schwere hölzerne Tür mit dem Löwenwappen auf. Und ließ ihn ein: in ihre charmante, lichtdurchflutete, sehr geräumige Künstlerwohnung, in der sich ihre Bücher und allerlei bunte Bilder stapelten. Der große Tisch war mit Rosen geschmückt. Eine persönliche Hommage der Hausherrin an sich selbst. „Willkommen im Reich der Rose!“ Sie ging zum rosafarbenen Kühlschrank, der erste prominente Blickfang der Wohnung, und öffnete eine Flasche wundervollen Sauvignon Blanc „aus der Gascogne. Eine der besten Weingegenden!“ Sie führte ihn auf die große, allerdings etwas karge Dachterrasse. Da saßen sie nun und sprachen endlich ohne Lärm, sondern sanft begleitet durch das Musik-Repertoire ihres iPhones. Er war froh, dass er es doch nicht ganz mit diesem Date vermasselt hatte … Allerdings wurde es stürmisch und dem oftmals fröstelnden Bernardo entstand – nicht nur wegen dem kalten Wind – eine Gänsehaut! Sie sah es.

Die Rose schlug vor, sich mit einem Glas Sauvignon Blanc auf die kleine Terrasse zur Straße zu setzen. Er öffnete eine frische Flasche und schenkte beiden ein. Sie zogen um auf den windgeschützten Balkon. Zunächst umfing die beiden eine gewisse Stille. Wer würde als Erster das Wort ergreifen? Man nahm Anlauf und tauschte zunächst einige Floskeln aus. Er öffnete sein Herz und begann, ihr seine nicht immer einfache Lebensgeschichte zu erzählen. Sie hörte aufmerksam und mit Liebe im Blick zu. Er beobachtete sie gebannt und konnte kaum glauben, dass er nun mit dieser Frau zusammensaß. Sie hatte sehr hübsche kleine Finger. Sie bewegte sich sehr zierlich. Er blickte auf seine eigenen Finger. Eine Frau hatte ihm einmal gesagt, dass er Kinderhände habe. Sie hielt inne und blickte ihn sehr ernst an. „Das war kein Zufall, dass wir uns kennengelernt haben. Da gibt es eine Logik. Ich glaube nicht an Zufälle.“ Er schreckte auf. Nicht dass er gegenüber tiefgründiger philosophischer Diskussion abgeneigt wäre, aber das war ein sehr fundamentales Statement. Einstein hatte so seinen essenziellen Vorbehalt gegenüber der Quantenmechanik formuliert: „Gott würfelt nicht“, schoss es ihm durch den Kopf. Hier hatte sich nicht irgendeine beliebige Chance eröffnet, sondern das war die Herausforderung nach vielen Jahren des Alleinlebens. Er zweifelte nicht einen Moment. Aber warum war er sich so sicher? Er war sich sicher. Wie von selbst formulierte er. Ja, es ist uns ein Geschenk gegeben worden, das wir nun leben sollen. Welche Worte nach so wenig Zeit des Kennenlernens! Er wollte es mit großer Lust leben. Er nahm ihre Hände, um sie zu halten und zu streicheln. Gern streckte sie ihm ihre Hände entgegen. So saßen sie einige Zeit zusammen und blickten einander an. Sie wussten, dass sich hier zwei Seelenpartner getroffen hatten. Hätte man ihren Herzschlag gemessen, dann hätte man festgestellt, dass hier zwei Herzen synchron schlugen. Die beiden schwiegen. Befangen darin zu glauben, dass es sich so tatsächlich zuträgt. Ab und zu drang etwas Lärm von der Straße und von dem kleinen koreanischen Restaurant gegenüber zu ihnen. Es wurde nun auch auf der kleinen Terrasse kühl. Sie bat ihn auf die Couchgarnitur im Inneren. Sie nahmen eng aneinandergeschmiegt Platz. Sie wollten ihre Hände und Finger nicht loslassen. Sie streichelten sich fortwährend. Einmal er ihre. Dann sie seine. Wie sie so zärtlich fortwährend über seine Finger glitt und ihm zeigte, welche Teile seiner Hände er noch nicht kannte, kam in ihm ein unglaubliches Gefühl einer tiefen Erotik auf. Sie möchte nie mehr aufhören. Schließlich unterbrachen sie ihr Liebesspiel, um noch einen Schluck Sauvignon zu genießen. Beide hatten das Gefühl, dass dieser Abend für beide einen Höhepunkt erreicht habe, hinter den sie nicht mehr zurückfallen dürfen. Sie blickten einander an. Er fragte sie, ob sie ihm ein Taxi rufen könne. Sie strich noch einmal über die Hände und bestellte ihm das Geleitgefährt. Er wusste, dass es nun an der Zeit war, sich von ihr zu verabschieden. Loszureißen. Sollte er es wagen, sie zu küssen? Er zögerte. Ach, wie gern würde er es tun. Nein, er würde das wundervolle Kunstwerk zerstören. Er hauchte ihr Küsse auf beide Wangen und konnte nochmals ihren wunderbaren Duft genießen. Ach, das blöde Taxi würde gleich vor der Tür stehen. Jetzt musste er sich endgültig verabschieden. Er wagte nicht, ihr das Versprechen abzuringen, dass sie einander wiedersehen werden. Er fürchtete einen Korb. Er winkte ihr noch einmal zu. Er sagte sich, dass er sie wiedersehen muss, denn: „Gott würfelt nicht.“

Die Tür schloss sich hinter ihm und das bezaubernde Wesen war wieder verschwunden. Er rannte die Treppen hinunter. Wovor rannte er denn weg? Es war die quälende Sehnsucht nach ihr, die sofort einsetzte, nachdem er ihre Wohnung verlassen hatte.

von Bobby Langer

Nein, gibt es nicht. Damit könnte das Thema erledigt sein. Nur fragt man sich dann doch, und sei es heimlich: Warum eigentlich nicht? Bevor ich mich mit der bzw. einer möglichen Antwort beschäftige, steht eine weitere Frage im Raum: Was ist das, die perfekte Liebe? Und ich hege den Verdacht, dass die Antwort auf letztere Frage erstere gleich mitbeantwortet.

Also: Was ist das, die perfekte Liebe? Darauf ließe sich philosophisch reagieren, was aber letztlich niemanden ernstlich interessiert. Dann also lebenspraktisch, sprich: Was bedeutet das für mich oder für dich oder sonst jemand? Wenn ich mich betrachte, dann wäre die Antwort im Alter von sechzehn Jahren garantiert anders ausgefallen als mit 40 oder mit 60 Jahren. Aber unabhängig vom Lebensalter hätte ich mir gewünscht, das Fremdsein zusammen mit einer Frau vergessen zu können; die kleinen Reste von Trauer, die im Hintergrund mitschwingen, wenn man aus dem Liebestaumel erwacht und die Hormone sich eingeheimst haben, wozu sie die Evolution bestimmt hat. Dann nämlich war immer noch neben mir die Andere; eine andere mit einer anderen, schwer zugänglichen Lebensgeschichte, mit anderen, gelegentlich befremdenden Interessen, mit anderen Vorlieben und Abneigungen, Wünschen und Visionen. Und irgendwann ging es mehr darum, die Spannung, die sich aus dieser Schere ergab, nicht überhandnehmen zu lassen.

Spätestens in mittleren Jahren habe ich mir ganz nüchtern gewünscht, in mehr als der Hälfte der Fälle zu bestimmten Lebensthemen gemeinsam zu schwingen. Das wäre mir schon ziemlich perfekt erschienen. Aber auch das hat nicht funktioniert. Trotzdem bin ich noch mit derselben Frau zusammen, seit weit über 40 Jahren. Da drängt sich mir der Verdacht auf: Irgendetwas muss da perfekt sein, sonst hätten wir nicht so viel Leben miteinander geteilt. Klar, man könnte auch sagen: Ihr wart zu feig, euch zu trennen. Aber so ist es nicht. Wir sind, auch erotisch, durchaus mal getrennte Wege gegangen, aber das hat uns nicht auseinandergebracht. Immer noch, und vielleicht mehr denn je, verstehen wir uns als Paar.

Vielleicht ist also die menschliche Antwort auf die doch sehr hoch angesetzt Frage: Perfekt ist die Liebe, wenn man sich echt um einander sorgt, wenn die Luft zwischen einem weder kalt ist noch heiß, sondern lind und mit einem gelegentlichen Frühlingsduft oder einem Geruch nach Kartoffelfeuer; das ist dann eine Luft, die man lange mögen kann; perfekt ist die Liebe, wenn man sich berühren kann und es nach so langer Zeit immer noch guttut; wenn man den Blick des anderen auffängt und ohne Worte weiß, was er meint. Perfekt ist die Liebe, wenn man sich für den anderen nicht verbiegen muss und doch respektiert wird in seinem Anderssein. Denn spätestens nach dem verflixten siebenten Jahr war uns klar: Die Hormonsprudel haben sich weitgehend ausgezischt. Wollen wir jetzt das köstliche Getränk ausschütten oder arbeiten wir an der bodenlosen Liebes-Tasse. Allein das gewollt zu haben und immer noch zu wollen, scheint mir schon ziemlich perfekt.

„Ziemlich perfekt“ gefällt mir ohnehin besser als „perfekt“. Perfektes wollen Jugendliche, Diktatoren und Geisteskranke. Erwachsene wissen, dass das Leben – und folglich auch die Liebe – genau betrachtet aus 1000 Grautönen besteht. 1.000 Grautöne sind vielmehr Reichtum als ein einmaliges Tiefrot. Wobei mir, ehrlich gesagt, das Wort „Rosatöne“ besser gefällt.

Und ein letzter Gedanke: Kann man diese große Frage unabhängig von ihrem Umfeld stellen? Wäre die Antwort außerhalb einer Konsumgesellschaft eine andere? Wie fiele die Antwort in Krieg, Armut oder Not aus? Ist nicht die Antwort die gültigste, die unter allen Umständen standhalten könnte, auch den widrigsten?

Mancher Mensch empfindet sie, manch einer nicht: Lei-den-schaft nach einem Menschen, eine Passion für etwas, was man sich immer wieder zu verschaffen, was man zu besitzen sucht, eine Tätigkeit, der man sich mit Hingabe widmet. Ist sie Fluch? Oder gar Segen? Und ist der Grat dazwischen nicht oft sehr schmal?

Habt ihr sie je erlebt? Diese Begegnung mit einem Menschen, die unser Herz von einer auf die andere Sekunde entflammt? Weiterlesen

Meine Freiheit wird die Deine

Wenn Du an Dir Du selber wirst

Die Quelle Deiner Liebe strömt in meine

Wenn Du Dich in Dich selbst verlierst

Liebe will Liebe

Aus dem Tiefenrausch, dem Grund

Liebe will Liebe

Allmacht, Ja in Gottes Seelenmund

Du bist in Dir von jeher Erde

Im Schoß der Welt ruht Ewigkeit

Du lebst in Dir das alte „Stirb und Werde“

Dein Schoß ist fruchtbar und wird weit

Liebe will Liebe

Schönheitsstab und Sommersohn

Liebe will Liebe

Samen, Herzanis und Mädchenmohn

Herrschen heißt der Liebe dienen

Es gibt kein Weil und kein Wozu

Dienen heißt dem Leben zu geziemen

Es lebt im Wir das Ich und Du

Liebe will Liebe

Ohne Mein und ohne Dein

Liebe will Liebe

Nur was wirklich ist, soll sein

Unsere Freiheit wird bestehen

Wenn wir aus uns wir selber sind

Die Quelle unserer Liebe will uns sehen

Weil mit uns die Welt beginnt

(Aus dem Gedichtzyklus „Ja, Du“ von Hans Christian Meiser)

Was an Dir getan ist, sage

Kraft des un-bedingten Ja

Was an Dir geschehen wird, wage

Höre auf die Tiefe. Sie ist da

Im Bejahtsein werden wir uns stets verlieren

Weil es sich selbst an uns erfüllt

Lass dies Geschenk in Dir niemals erfrieren

Auch wenn ein Nein das Ja umhüllt

Was wir waren, lässt die Liebe in uns sterben

Sie nimmt und gibt zugleich

Sie will, dass wir durch sie befähigt werden

Arm zu sein und unermesslich reich

In ihr entdecken wir die Ja-Allmacht

Ins Leben sterben wir hinein

Sie führt uns auf die Spur der Tagesnacht

Wir finden sie. Und kehren heim

Der, dem die Wirklichkeit begegnet

Wird selbst ursprünglich, ohne Scheu

Der, der uns in Liebeswahrheit segnet

Ist selber Ursprung, ewig neu

Er lässt sich ganz in uns geschehen

Kraft des un-bedingten Ja

Ohne Augen können wir ihn sehen

Er ist die Tiefe. Er ist da

(Aus dem Gedichtzyklus „Ja, Du“ von Hans Christian Meiser)

Ich bin in Dich verwandelt

Vergess mich immer neu in Dir

Es ist ein Wort, das aus sich handelt

Es führt zu uns: Aus dort wird hier

Dies Wort gebiert die Melodie des Seins

Es sieht am tiefsten mit den Augen des Vertrauens

Durch seine Saat sind wir in Licht und Schatten eins

Und wohnen in der Kunst des In-sich-Schauens

Wir singen uns das Lied von innen

Ins Sein hineingeöffnet und vollbracht

Wir wollen nicht verlieren, nicht gewinnen

Wir kennen nur die Freiheit, nicht die Macht

Wir wandeln uns zum Ursprung und sind deshalb jung

Wir wachsen nicht im Mittelmond

Wir brechen unser Brot in der Vereinigung

In der die körperliche Seele thront

Wir schöpfen aus der Tiefe, aus der wir letztlich sind

Und leben nicht im Binnenraum von „Ich bin ich“

Die Schönheit und die Liebe sind unsrer Freiheit Kind

Denn ich bin Du. Und Du meinst mich.

Wir sind in uns verwandelt

Vergessen uns stets neu im Sein

Es ist ein Wort, das aus sich handelt

Es führt zu uns: Wir sind daheim

(Aus dem Gedichtzyklus „Ja, Du“ von Hans Christian Meiser)

Ich sehe Dich von innen her

Du hast mich ganz berührt

Wir strömen in das Urbildmeer

Ich hab mich tief in Dir gespürt

Wir sind Liebe

Freiheitsfrühling und Verzicht

Wir sind Liebe

Herzgeburt und Sterngesicht

Wir haben uns so viel zu geben

Auf dem Wege zur Vollkommenheit

Wir können diese Nacht bewegen

Mit der Kraft der Zärtlichkeit

Wir sind Liebe

Trauerquell und Freudenleid

Wir sind Liebe

Und der Ewigkeit geweiht

Wir schauen uns in nie gekanntem Maße

Getauter Tränen Heiterkeit

Wir sind Reinheit und Ekstase

Federleicht verflossen in die Zeit

Wir sind Liebe

Unerschöpflich schön und zart

Wir sind Liebe

Ursprung in der Gegenwart

(Aus dem Gedichtzyklus „Ja, Du“ von Hans Christian Meiser)

Ich trete Dir entgegen

Und geb mich weg zu Dir

Und lebe um des Gebens wegen

Und finde mich in Dir

Auch wenn Du fort bist

Bleibst Du verwandelt hier

Du weißt, dass dies der Ort ist

An dem die Wahrheit wächst: Im Wir

Aus ihm heraus entspringt der Samen

Der Schöpfungsmorgen, Gottgeburt im Ja

Aus Sehnsucht rief es unsren Namen

Wir hörten ihn. Jetzt sind wir da

Die Liebe rief uns aus dem Nichts

Wir lebten ortlos im Wenn-Dann

Bis auf ein Zeichen des Gesichts

Die Freiheit uns für sich gewann

Sie hat uns berührt

Wir sind am Ende alter Zeit

Sie hat uns mit sich fortgeführt

Nun sind wir die Ewigkeit

Und treten uns entgegen

Es gibt jetzt kein Zurück

Und leben um des Gebens wegen

Und gehen hin und bringen Glück

(Aus dem Gedichtzyklus „Ja, Du“ von Hans Christian Meiser)

Ich lasse Dich geschehen

In mir, in meinem Ja

Ich kann nur diesen Weg begehen

Und bin in Dir dem Ursprung nah

Ich bin zu Dir bereit

Es gibt nicht mehr um-zu

Du tust in mir die Wirklichkeit

Wirst selbst in Freiheit: Du

Du bist das Ja der Ewigkeit

In Deinem Atem lebt das Wort

Es hat Dich von Dir selbst befreit

Und nimmt den Zweifel von Dir fort

Du schaffst den Raum der Freiheit um Dich her

Nicht neben mir und ohne Nein

Du wirkst mit mir zusammen, wir sind leer

Für das unendliche Gesetz vom Sein

Die Liebe spricht zu Dir: Mein Leben, tanze

Sie bietet Dir das Wort als Handlung an

In jedem Teil lebt fruchtbar noch das Ganze

Das Wort als Weg ist immer schon getan

Wenn wir erst werden, wer wir wirklich sind

Dann sind wir frei und leben als Begegnung

Wir sehen uns als jener Freiheit schönstes Kind

Das Leben heißt in endloser Bewegung

Sie lässt uns geschehen

In ihr, in ihrem Ja

Wir können diesen Weg begehen

Und sind in uns dem Ursprung nah

(Aus dem Gedichtzyklus „Ja, Du“ von Hans Christian Meiser)

Jeden Morgen alleine aufwachen. Jede Nacht einsam einschlafen. Nur das Kissen umarmen. Den Tag müssen wir in Isolation verbringen. Nicht einmal die Abwechslung eines Restaurantbesuchs, eines Kinoabends oder einer Theatervorstellung. Wir sind „gefangen“ in uns selbst, mit uns selbst. Das ist ein Gefühl von Absurdität und führt manche sensible Seele an den Rand des Abgrunds. Gerade jetzt, wo ganz Deutschland durch Corona gegeißelt und in die Isolation gezwungen ist.

„Und Gott der HERR sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei.“ 1.Mose 2:18

BLOSS NICHT ÜBER UNS SELBST NACHDENKEN!

Wir sind Abwechslung gewöhnt. Soziale Kontakte tun uns gut. Sie sind wie Sauerstoff, der unsere Seele zum Atmen bringt. Unsere Herzen lächeln lässt. Letztlich auch, weil sie Weiterlesen