Die Handwerkerin in mir weiß: Klammern brauche ich immer, damit etwas nicht auseinanderfällt. Oder damit ich ihm eine Form geben kann, die es normalerweise nicht hat. Haarklammern zum Beispiel. Oder die Klammern, die ich mit einem Tacker in die Plastikplane schieße, damit sie am Holz hält.

Wenn ich jetzt mal das Gerät zum Vergleich nutze, dann bin ich das Holz, mein Mann die Plane und der Standesbeamte der Tacker. Bis dass der Tod – bzw. die Verrottung des Holzes – uns scheide. Braucht es die Ehe? Die politische Gebetsmühle sagt: Ja, sie ist staatserhaltend. Hm, deswegen soll ich heiraten?

Ich will nicht abschweifen und zur Klammer zurückkommen. Zum Klammern genau gesagt. Wenn ich gemischtgeschlechtlich unterwegs bin, fällt nicht selten das Wort, dass wir Frauen klammern und die armen Männer bewegungseingeschränkt sind. Stimmt schon irgendwie: Der Schnelllauf in fremde Betten wird durchs Klammern erheblich gestört. Aber warum klammere ich? Ich brauche den Typen doch gar nicht, und mein Junge ist aus dem Gröbsten raus. Wenn ich beim Abendessen sage: „Ist es okay, wenn ich heute Abend mal länger unterwegs bin? Brauchst du mich?“, schaut er mich an wie ein Psychiater einen Geisteskranken. Im besten Fall hat er Mitleid mit mir, dass ich immer noch nicht kapiert habe, wie groß er schon ist. Ich sage ihm natürlich nicht (und manchmal gesteh ich’s nicht mal mir selbst ein), dass ich mit seinem Vater nur ausgehe, weil auf der Party ein paar gefährliche Frauen unterwegs sein werden. Wenn ich auch da bin, gibt es keinen „Ausrutscher“.

Ist das Klammern? Vielleicht. Aber warum tue ich das? Klar: Damit er mir nicht abhandenkommt. Ich würde ihn vermissen und all das, was bei uns gut klappt. Die Vertrautheit, die Normalität, die sich ergeben hat und mit der wir beide einverstanden sind. Er ist ein Partner und ein Vater. Er kann beides. Das ist schön. Wenn „Bett“ stattfindet, könnte er langsamer zur Sache kommen, aber so sind sie nun mal: im Zweifelsfall leicht zu erregen. Ist ja auch irgendwie schön, dass es – manchmal – noch klappt. Aber er ist mit seinen paarundfünfzig Jahren bei anderen Frauen ein bisschen wie ein Junge. Würde ich nicht auf ihn aufpassen, würde er sich in wer weiß was verstricken und aus der Falle nicht mehr rauskommen. Die anderen sind ja auch nicht doof. Mein Klammern ist also eher eine Art Schutzengelfunktion. Anders als die mechanischen Klammern sorgt es dafür, dass zusammenbleibt, was zusammengehört.

Als ich den folgenden Text zum ersten Mal las, konnte ich kaum glauben, dass das, was da stand, ein elementarer Teil unserer Kultur ist. Dieser mich sehr bewegende, unfassbar radikale Text stammt aus der Bibel, 1 Korinther 13, 1-8. Inzwischen gibt es viele Varianten, hier eine davon, die mir besonders gut gefällt. Es sollte eine weite Verbreitung finden. Hier sorge ich schon mal ein bisschen dafür:

Das Hohelied der Liebe

Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke.

Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts.

Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte, und wenn ich meinen Leib dem Feuer übergäbe, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts.

Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit.

Sie erträgt alles, sie glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf. Prophetisches Reden hat ein Ende, Zungenrede verstummt, Erkenntnis vergeht. Denn Stückwerk ist unser Erkennen, Stückwerk unser prophetisches Reden; wenn aber das Vollendete kommt, vergeht alles Stückwerk.

Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind und urteilte wie ein Kind; als ich aber Mann wurde, legte ich ab, was kindisch an mir war.

Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie auch ich durch und durch erkannt worden bin.

Jetzt aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.