Stille Nacht, heilige Nacht – hatte einen krassen Traum in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember 2017: Ich begegne einem Wesen, eigentlich eher einer Wesenheit. Ich kann ihr Äußeres nicht erkennen, aber ganz schnell ist klar: Ich habe einen Wunsch frei und auch wirklich nur einen. Und ich werde dieses Wesen nur dann wieder treffen, wenn es wirklich will, dass ich ihm begegne – und das kann nur im Traum sein. So weit, so gut – „gibt es Grenzen“, frage ich es. „Keine Grenzen“, kam die gütige Antwort. Und was habe ich getan, ich elender Gutmensch? Ich habe mir spontan gewünscht, dass der komplette Plastikmüll aus den Süß- und Salzwassergewässern unserer Welt verschwindet. Noch im Traum kam es mir: Wie dumm kann man eigentlich sein?

Scheiß auf Plastikmüll?

Aber der Traum war ja noch nicht zu Ende. Da gab es ja noch so ne Art Rest-Ratio, die daran herum gerätselt hat, was besser gewesen wäre. Vielleicht gibt es ja eine zweite Chance? Scheiß auf Plastikmüll, was würde dir nutzen? Es ging schon auf das Morgengrauen zu, wohl kein Wunder, dass sich da eine Erektion entfaltete. Und wohl auch kein Wunder, dass sich der Traum nun um eine Optimierung meines Körpers, des Gefäßes meiner Seele, drehte. Es ging von Kopf bis Fuß: Hm, Glatze könnte bleiben, aber die Tränensäcke bitte weg. Bräune? Ja bitte Ganzkörperbräune, dann wirkt das nicht so unnatürlich. Muckis? Gerne ein bisserl mehr an den Oberarmen, soll aber nicht antrainiert wirken. Kurzer Gedanke an die sonstigen Wehwehchen – weg damit und hui! Große Bitte ans Universum, an DAS Wesen oder wie auch immer. Nix passiert und aufgewacht.

Reality-Check

Erstmal pinkeln gehen und Kaffee machen. Blick in den Badezimmerspiegel – Körperstatus unverändert; Kaffeehausbräune und kein Muskelzuwachs. Statt dessen melden sich die üblichen Gebrechen zu Wort. Mit der Kaffeetasse an den Rechner – der Plastikgehalt in den Gewässern scheint sich nicht verändert zu haben. Fuck! Was für ein blöder Traum! Dann doch lieber von Zombies durch schier endlose Gänge gehetzt werden als wirklich mit einer Hoffnung erwachen? Quatsch, denke ich mir im Nachhinein. Was kann denn besser sein als ein Tag, der mit einer aufrichtigen Hoffnung beginnt?

Die neue Frauenmacht ist nicht gegen den Mann gerichtet
und nicht gegen unsere Liebe zu den Männern.
Sie verlässt aber entschlossen diejenigen Strukturen,
die zu der weltweiten Vernichtung des Lebens
und der Liebe beigetragen haben.

Es liegt jetzt an uns Frauen,
die politische und sexuelle Verantwortung wieder anzunehmen,
die so lange gefehlt hat.
Wir laden alle engagierten Männer ein,
sich unserer Friedensarbeit anzuschließen.

Sabine Lichtenfels

Alter Schwede! Eigentlich wollte ich diese Woche über was ganz anderes schreiben, aber was die schwedische Regierung da jetzt rausgehauen hat, muss einfach kommentiert werden. Da komm ich nicht drum rum. Was ist passiert? Ich zitiere mal den Focus: „Das schwedische Parlament hat einen Gesetzesvorschlag zur Abwandlung des Tatbestands der Vergewaltigung genehmigt. Das neue „Einverständnis-Gesetz“ besagt demnach, dass ein Mann auch bei einvernehmlichem Sex der Vergewaltigung angeklagt werden kann, wenn er sich zuvor keine eindeutige Einverständnis-Erklärung seiner Partnerin eingeholt hat“.

Neuer Schwung für abgehangene Beziehungen?

Nicht einmal der Postillon hat ein derartiges Gesetz in die Satirewelt gesetzt. Selbst diese oft genialen Freaks haben nicht kommen sehen, dass eine europäische Regierung so weit gehen würde. Springen wir doch mal ins Schlafzimmer, senden wir live! Tatort: Das Ehebett eines (schwedischen) Paares mittleren Alters, das verflixte siebte Jahr ist rum, die Kinder wurden bereits in früheren Beziehungen gezeugt. Der Thrill im Bett ist längst um die Ecke, aber „Es“ muss ja gelegentlich getan werden, so bislang der Konsens. Wer dann anfängt, war früher auch wurscht; wer halt gerade rollig ist, so das ungeschriebene Gesetz und damit fuhren sie bislang auch ganz gut. Man macht halt netterweise einfach mit, wenn es dem anderen gerade wichtig ist. Und wenn keine martialischen Hürden wie etwa ein frischer Bandscheibenvorfall oder eine Migräne dagegen sprechen. Das funktionierte, war vielleicht gelegentlich langweilig, aber jetzt ist ja das neue Gesetz da! Das Einverständnis-Gesetz! Da kommt doch endlich mal bürokratischer Schwung in die 140-mal-90-cm-Bude.

Abreißformulare? Diktiergerät? Oder gleich ne Kamera?

Zoom in: Es ist morgens, circa 5.30 Uhr, er erwacht aus einem Traum, den er schon wieder vergessen hat. Und er hat ein großes Ding in seinen Händen, die gute alte Morgenlatte eben und es wäre doch Verschwendung, oder? Also heranrobben an sie, tausend Mal passiert, nix besonderes, wie immer halt. Es ist eine laue Sommernacht, sie schläft unten ohne, einfach nur ganz sanft den Eingang finden und dann …

… fällt ihm ein, dass es ja jetzt das Einverständnis-Gesetz gibt. Wenn er es so macht, wie die Bisamratte an seinem Unterleib es vorgibt, riskiert er ja seine Existenz! Noch Jahre später, womöglich nach einer unschönen Trennung, wird sie ihn dafür verklagen können. Hätten sie doch vorgesorgt! Ein Abreißformular am Nachtschränkchen, das sie – wenngleich noch schlaftrunken – einfach nur unterschreiben muss. Oder die Diktiergerät-Funktion am Handy vielleicht? Ein vorformuliertes Sprachprotokoll, sie muss nur „Ja, ich will“ und das Datum sagen und alles ist geritzt? Oder gleich ne Kamera und wir reden ganz offen drüber? Ob all dieser Gedanken verabschiedet sich die Morgenlatte und während des Gangs zur Toilette nimmt er sich fest vor, beim nächsten besser vorbereitet zu sein. Zoom out – schöne neue Welt.

Wenn die letzte Soap genüsslich ausgeschmachtet ist, dann lohnt es sich, einmal kurz innezuhalten und zu überlegen, was das eigentlich ist: Liebe. Erst mal: Sie fällt eindeutig nicht unter die Konsumangebote. Was heißt: Man kann sie nicht kaufen. Ein Stückchen weiter gedacht: Man kann sie also auch nicht verschenken, denn verschenken kann man nur einen Gegenstand von hier nach da.

Seufz, Liebe …

Wenn Liebe aber kein Gegenstand ist, was ist sie dann? Meistens wohl vor allem ein Etikett, das man auf vorfabrizierte Verhaltenspäckchen klebt: auf eine Affäre, die man dann beschönigend „Liebesaffäre“ nennen darf, auf eine Beziehung, die auf einmal „Liebesbeziehung“ heißt und auf eine Heirat, die als „Liebesheirat“ doch viel vertrauenserweckender klingt. Und die Liebesfilme … seufz, die Liebesfilme …

Liebes-Ballons …

Schon seltener ist die Liebe eine Idee. Die wird in Christmetten ebenso verkündet wie auf Internetportalen der freien Liebe. Das sind Es-Wäre-Schön-Wenn-Gedanken, die da wie Ballons auf einem Kinderfest – gut beschriftet und wohlgemeint – in die Luft steigen und auch ein bisschen auf ihre Verkünder zurückwirken wollen: Schaut mal, ist das nicht toll, was ich euch da verkünde? Aber es ergeht diesen Liebesideen wie allen Kinderfest-Ballons. Irgendwann entweicht ihnen das Helium oder sie werden schon vorher vom Regen zerstört und gehen als Gummi-Matsche zu Boden.

Liebe als Ausgang und Eingang …

Wenn Liebe aber auch keine Idee ist, was bleibt? Der Zustand, der Zustand der Liebe. Es ist der, der von keinen Klischees, Religionen und Moralkodices eingeengt wird, der selbst dann noch auftaucht und Heiterkeit, Freiheit und Wärme schenkt, wenn der Sex verpufft ist, die Gier erschlafft oder der Zorn verraucht. Es ist ein Raum, der keinem gehört und den alle betreten dürfen, die Heteros und die Homos, die Traurigen und die Witzbolde, die Armen im Geiste wie die Intellektuellen, die Arbeiter wie die Bosse, die Priesterinnen wie die Huren. Auch Tiere und Pflanzen finden dort ihren Platz; ja selbst das engste und kleinlichste Ego dieser Welt darf hinein und sich pudelwohl fühlen. Der Eingang zu diesem Raum ist zugleich der Ausgang aus dem Gefängnis des materiellen, geistigen und geistlichen Konsums, aus dem Kerker der Vereinnahmung, aus der Eitelkeit und Beliebigkeit der Ideen. Es ist der Eingang zu einem erlebten und gelebten Raum radikaler Annahme und Freiheit. Und dieser Raum hat einen Namen: Leben.

Es ist passiert. Gestern Abend im Snooker-Salon. Ich sehe einem marokkanischen Hipster mit Hut und Bärtchen und seiner jungen, schönen Gegnerin beim Spielen zu. Sie: lange glatte schwarze Haare, gertenschlank, anmutig in ihren Bewegungen und sie spielt auch noch gut. Es macht mir Spaß zuzuschauen. Dann sieht sie mir in die Augen, ein kurzes Lächeln umspielt ihre Lippen und es trifft mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel: Die ist es! Die will ich! Jetzt! So kreischen die Stimmen in mir unwillkürlich. Und das mir, dem das eigentlich nie passiert, dieses spontane, unbändige Begehren, dieses unbedingte Habenwollen aus dem Moment heraus.

In Homers Gefolge

Wie nennt man das eigentlich? Liebe auf den ersten Blick passt ja nicht, weil zu Liebe immer zwei gehören, weil Liebe auf Gegenseitigkeit beruht. Auch nach längerem Nachdenken finde ich kein passendes deutsches Wort für dieses Phänomen, am ehesten scheint es noch das englische „She’s got the look“ zu treffen. Aber warum gibt es diesen Effekt überhaupt? Das bringt doch nichts als Ärger? Betroffene in früheren Zeiten satteln ihr Pferd, reiten ins Nachbardorf, rauben das Objekt ihres Begehrens und lösen damit womöglich kriegerische Konflikte aus. Homers Geschichte von Paris und der schönen Helena lässt grüßen und beweist zugleich, dass das Phänomen durchaus Tradition hat.

Jetzt Stalker werden?

In der Gegenwart ist das mit dem spontanen Frauenraub alles andere als einfach und so neigen die „vom Blitz des allumfassenden Begehrens“ Getroffenen in ihrer Not heute eher dazu, das zu betreiben, was man neudeutsch auch als Stalking bezeichnet. Also „das willentliche und wiederholte Verfolgen oder Belästigen einer Person, deren physische oder psychische Unversehrtheit dadurch unmittelbar, mittelbar oder langfristig bedroht und geschädigt werden kann“, wie die Wikipedia erklärt. Dazu muss man allerdings ganz schön fleißig sein, denn „um als Stalkingopfer kategorisiert zu werden, müssen mindestens zwei verschiedene, die Privatsphäre verletzende Verhaltensweisen berichtet werden, wobei diese durchgehend mindestens acht Wochen andauern und Angst auslösen mussten“. Wahnsinn, oder?

Den Augen-Blick loslassen

Um das gleich mal klarzustellen – ich persönlich werde natürlich einen Teufel tun und dieser jungen Schönheit nachstellen, deren einziges Vergehen darin bestand, mich diesen einen Sekundenbruchteil zu intensiv angesehen zu haben. Man muss nicht Paul Watzlawicks „Anleitung zum Unglücklichsein“ gelesen zu haben, um zu wissen, dass es keinen Sinn macht, diesen Moment in realiter zu vertiefen. Ich werde – ganz im Gegenteil – in den kommenden Tagen, bis ich meinen Flieger zurück nach Deutschland besteige, den Ort dieser Begegnung meiden. Den Rest überlasse ich dann der Gnade des schwindenden Gedächtnisses, das zwischen den Klippen der Tage, Wochen und Jahre dieses Ereignis zu dem einschleifen wird, was es auf Dauer sein sollte: ein runder, großartiger Moment.

Ab wann ist eine Frau definitiv zu alt für einen Mann? Auf diese Frage gibt es ebenso wenig eine Antwort, wie auf deren Umkehrung: Ab wann ist ein gestandener junger Mann für eine Dame fortgeschrittenen Alters nicht mehr akzeptabel? Klar ist ja auch, dass es – gerade in der Literatur und im Film-Genre – oft auch um die diesbezüglichen krassen Abweichungen von der Mainstreamdenke geht. Gerne werfe ich hier auch ein paar subjektive Betrachtungen mit in den Teich: Happs, Happs, Happs – so werden Vorurteile zementiert. Fangen wir doch mal an mit dem Teenie, der ich einst war. Frauen über 40 waren damals für mich Omas. Ich war mitnichten in der Lage zu unterscheiden, ob sie in der Straßenbahn einen Sitzplatz benötigten oder sich gar in ihrem inneren Kern das Feuer bewahrt hatten, einen Jungspund wie mich zuzureiten. Als potenzielle Partner für Geschlechtsverkehr existierten sie für mich damals schlichtweg nicht.

Ein Kuss auf der Treppe

Das änderte sich wenige Jahre später. Ich war Anfang zwanzig, Juniortexter in einer angesagten Werbeagentur, und mein Gegenüber am Schreibtisch eine attraktive Dame Anfang vierzig. Es war die Zeit, als noch nicht auf jedem Schreibtisch ein Rechner stand. Vielmehr sprach ich meine Texte in ein Diktiergerät, und jene mir an Lebenserfahrung und Weisheit weit überlegene Frau hatte zusätzlich zu ihren Pflichten als Kontakterin die Aufgabe, diese meine Worte per Schreibmaschine ins geschriebene Wort zu übertragen. Dann war da dieser Betriebsausflug an den Schliersee. Der erste Abend ein Fest der Verbrüderung zwischen den Chefs und den Angestellten. Heute gar nicht mehr vorstellbar. Es wurde geraucht und gekifft, gelacht und gesoffen. Und geknutscht: Meine Vierzigjährige, gestandene Mutter eines Sohnes im Teeniealter und ich hatten uns die Treppe eines dunklen Seitenaufgangs ausgesucht. Ich durfte erstaunt registrieren, dass ihre Lippen nicht im Mindesten schlechter mundeten, als die einer Gleichaltrigen. Im Gegenteil: Ein Hauch von reifer Süße schwang darin mit, so wie das Weinkenner von edlen Tropfen kennen. Natürlich war sie es, die einer Fortsetzung dieser Liason in der Zukunft einen energischen Riegel vorschob und damit auf viele Jahre unsere Freundschaft erhielt. Aber es war auch kein Zufall, dass ich nur wenige Monate später in Beziehung mit einer Enddreißigerin war. Das Aroma des reifen Weins hatte mich wohl getriggert und dazu gehörte dann auch Balkonsex auf der Waschmaschine in Sichtweite unserer Agentur … – etwas, worauf sich Mädels meines Alters wohl eher nicht eingelassen hätten.

Vom Jäger zur Beute?

Wie ich überhaupt auf diese uralten Geschichten komme? Nun, ich weile seit einigen Tagen in Agadir, einem touristischen Hotspot im südlichen Marokko. Jetzt, im Dezember (ich war hier noch nie zuvor), scheint dies auch ein mildklimatisches Refugium wohlhabender Damen vorzugsweise französischer Provinienz zu sein. Sie scheinen es zu mögen, dass ich französisch spreche. Ich kann nicht in ihre Köpfe sehen. Vermutlich haben sie ihre jetzt verstorbenen Exmänner mit kalorienreicher Kost und reichlich Wein frühzeitig zu Tode gebracht. Aber ich kann die Blicke und das Lächeln dieser zumeist über Sechzigjährigen deuten und da ist eine Botschaft: „Komm her Frischling! Ich reite dich zu!“