Anschmachten – das ist wohl ein Stadium der Pubertät. Bei mir begann es schon in der fünften Klasse, und dann auch noch im Religionsunterricht! Ich hatte dieses Mädchen vorher nicht wahrgenommen, war auch noch nicht in dem Alter, wo ein direktes Ansprechen für mich vorstellbar gewesen wäre. Ernsthafter Sex lag für mich emotional in weiter Ferne – die Genderisierung und Frühsexualisierung der Jugend war damals noch in den Kinderschuhen. Wie ich, also so halbwegs. Immerhin hatte ich damals bereits „Josefine Mutzenbacher“ gelesen. Erfolgreich aus dem „Giftbücherschrank“ meines Vaters entwendet und dann – nach dem Lesen – wieder an den alten Platz gestellt.
Sieben Jahre anschmachten
Mein Schwarm saß in der Parallelklasse. Und weil die Evangelischen so dünn gesät waren, wurden wir alle in gemeinsame Unterrichtsstunden gepackt, was all die kommenden Jahre bis zur 11. Klasse anhielt. SIEBEN Jahre! Ihr blondes, mittellanges Haar begann in holde Locken zu fallen, ihre Brüste wuchsen, die Wangen wurden rosiger, der Gang kam mehr aus der Hüfte – für mich stets einfach der Wahnsinn, auch wenn sie nie ein It-Girl war – ein Begriff den es damals noch nicht gab. Damals war sie schlicht „uncool“, was damit zusammenhing, dass sie keine Moden mitging. Stets eher einfach gekleidet, Standardrobe von C&A oder so, später, Richtung Kollegstufe, wurde es eher alternativ vom Stil her, das war bei mir in der Zeit ähnlich.
Schiss vor einem Frontalkorb
All die Jahre über war sie für mich die Schönste im Rund der Aula, ein Morgenstern unter Asteroiden, eben etwas ganz Besonderes. Natürlich hatte ich diverse Freundinnen damals, aber ein Leuchtstern ist halt fix und bleibt am Firmament. Nur – sie anbaggern, dass ging einfach nicht. Ich hatte schlicht Schiss vor einem Frontalkorb und so blieb mir nur, sie anzustaunen – aus der Ferne, wie stets. Und so hätte es bleiben können: Sie ein Madonnen-Abziehbild in meiner Erinnerung, an das ich vielleicht gegen Ende meines Lebens noch mal augenblinzelnd gedacht hätte – wenn überhaupt. Doch es kam anders: Abifahrt nach Sorrent (bei Neapel) und sie war mit von der Partie. Same, same, but different trifft es – denke ich – ganz gut. Zunächst, im Bus, beim Einchecken, die ersten Tage das alte Lied: Ich – ihre Anmut aus der Ferne bestaunend. Sie leichtfüßig wandelnd in ihrer Traumwelt , den Rest der Realität allenfalls bei Mahlzeiten wahrnehmend.
Zeit der Entscheidung
Und dann dieser Moment: Es ging auf Sonnenuntergang zu und ich sah sie gehen. Zum Meer! Hinterher! Zum ersten Mal fasste ich mir ein Herz. Badesachen hatten wir beide an und so schwammen wir ein wenig, bevor wir uns nebeneinander in die Brandung setzten und uns von ihr immer wieder überspülen ließen. Sie erzählte gerade von ihrer Facharbeit in Kunst, für die sie Muscheln und Steine sammle, als ihr eine Welle den rechten Teil ihres Bikinis abstreifte. Sie bemerkte es nicht und plauderte weiter, Steine, Muscheln und so. Alles super gelaufen, oder? Mitnichten! In der Standard-Lovestory, sei es nun Film oder Buch oder Schundheft käme nun eine romantische Sex- oder wenigstens Kuss-Szene. Hier war es anders. Ihre nackte Brust starrte mich an wie ein Alien. Ich konnte nicht einmal sagen, ob ich diese Brust hübsch fand, ich fand es einfach nur befremdlich. Sieben Jahre hatte ich davon geträumt, diese Brust auszupacken, zu liebkosen … Und nun – glotzte sie mich, gefühlt, auf unromantischste Art und Weise an, derweil mein Morgenstern einfach weiterplapperte. Aber das Anschmachten war vorbei. Abrupt stand ich irgendwann auf und ging zum Camp zurück. Während der restlichen Abizeit haben wir kaum noch gesprochen. Danach sah ich sie nie wieder. Im Rückblick wünschte ich, ich hätte mir wenigstens irgendwann einen ehrlichen Korb geholt.