„Geben Sie bitte Ihre erotischen Vorlieben ein!“ Diese Aufforderung eines Erotikportals würde so manche oder mancher mit „soft bondage“ beantworten, vielleicht auch „hard bondage“. Bondage heißt Fesselung und spricht für die Sehnsucht nach Unterwerfung – wenigstens ein bisschen. Passt das zum Thema „Freiheit in der Liebe“? Natürlich, auf kokette Art gewissermaßen, denn in die Unterwerfung begibt man sich freiwillig.

Wirklich freiwillig? Oder ist da nicht ein unkontrollierbarer, und damit unfreier, Anteil in unserem Lustpotpourri identifizierbar? Selbstverständlich. Was uns Lust macht, was uns antörnt, was uns geil macht, unterliegt nur sehr eingeschränkt unseren Wünschen. Andernfalls könnten wir ja beliebig auch ins homo-, bi- oder heterosexuelle Fach überwechseln. Können wir aber nicht. Eben.

Wechseln wir also vorsichtshalber in die geistigen Sphären über. Liebe zu einem Menschen ist ja auch, wenn nicht vor allem, ein geistig-seelisches Erlebnis. Auch das können wir uns nicht aussuchen. Im Extremfall überfällt es uns wie ein Blitz, wie eine plötzliche Erkenntnis: ER ist es oder SIE ist es! Der eine, die eine. Mit erschreckender Gewissheit fühlen wir uns ihm oder ihr ausgeliefert wie ein Garten dem Wetter: Scheint eine Sonne namens Josef oder Maria aus blauem Himmel in unser Herz, ist alles gut und wir sind glücklich. Wirft der Himmel aber mit Hagelkörnern, sind wir angeknackst bis zerschmettert. Alles das ahnen wir in diesem einen Augenblick seliger Lust. Wir sind zu allem bereit, wollen uns ausliefern.

Warum? Treibt uns Masochismus an? Doch eher nein. Im anderen spüren und erahnen wir die Chance, die eigene Persönlichkeit zu erweitern, ihrem Gefäß der eingeschränkten Möglichkeiten zu entkommen, im Verschmelzen der Seelen ein Stück vollständiger zu werden. Mit anderen Worten: den Raum unserer Freiheit zu erweitern, aus eins plus eins eine wundersame Drei zu machen. Das geht ja auch ein paar Monate gut – bis der Partner oder die Partnerin am Telefon mit einem subterranen Beben in der Stimme fragt: „Warum hast du gestern Abend nicht angerufen?“

Auf einmal öffnet sich ein Höllenschlund. Ganz ähnlich wie im Augenblick, in dem uns unsere Verliebtheit bewusstwurde, dämmert uns die Ahnung, dass es nun mit der Freiheit vorbei ist. Was sich einst wie die freie, wundersame Natur anfühlte, ist nun ein bestenfalls ein englischer Park, wo Gärtner namens Erfahrung, Erinnerung, Hoffnung, Besitz, Eifersucht, Zweifel und Vorwurf zugange sind. Das Paradies ist eingehegt, vielleicht von Stacheldraht umgeben. Zutritt verboten! Achtung, Selbstschussanlagen. Jede Überschreitung, hinein oder hinaus, zieht Verletzungen nach sich, schlägt Wunden.

Gibt es Alternativen dazu? Und falls ja, welche? Polyamorie? Lässt sich die erlernen?

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In dieser Studie soll untersucht werden, wie Selbstbeschreibungen in verschiedenen Lebensbereichen mit Verhalten in Partnerschaft und Sexualität zusammenhängen. Damit die Untersuchung eine gewisse Allgemeingültigkeit bekommt, will das psychologische Institut der Universität eine möglichst breit gefächerte Gruppe von Versuchspersonen erreichen.

Man hat die Möglichkeit, die Resultate der Untersuchung nach der Erhebungsphase zugeschickt zu bekommen. Das Ausfüllen des Fragebogens dauert ca. 20 Minuten. Die Umfrage findet Ihr HIER.

Origien sind keinesfalls eine moderne Phantasie. In der Renaissancezeit nannten Spötter Rom den „Schwanz der Welt“. Mehr Prostituierte gab es nirgendwo. Papst Alexander VI. aus dem berüchtigten Geschlecht der Borgia veranstaltete (vermutlich) die reinsten Sexorgien. Und ein paar Jahrhunderte zuvor trieb es Johannes XII im Petersdom so wild, dass er wegen Unwürdigkeit gestürzt wurde. Dass unsere Altvorderen der Lust an der Lust weit mehr frönten als unsereins, der vor lauter Terminen gar keine Zeit für eine ausschweifende Orgie hätte, ist ein offenes Geheimnis. Hier wird es sinnlich und informativ beschrieben:

Die Zahl der Eheschließungen steigt wieder. Und das wundert mich bei genauem Hinsehen nicht. Zweifellos war der Ruf der Ehe in den letzten Jahrzehnten, spätestens seit den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, lädiert. Sie galt und gilt vielen jungen Leuten als der Inbegriff von veraltet, als eine erstarrte Form. Und so fühle ich mich manchmal auch: wie eingebacken und unbeweglich, wenn mein Mann – oder sollte ich jetzt sagen: mein Gatte – schnarchend neben mir liegt und ich mich selbstbefriedige. Dass er lieber mit seinen jungen Kolleginnen flirtet und die eine oder andere ihm auch zum Opfer fällt, wundert mich nicht. Ich bin aus der Form geraten. Und nach 34 Jahren Ehe weiß Gott nicht mehr die frischeste. Er ahnt, dass ich es weiß, und ich sorge dafür, dass er es ahnt, ohne unser eingespieltes Team durch Blitz und Donner zu gefährden.

Ehe ist wie eine Party: manchmal auch langweilig

Ja, wir sind ein eingespieltes Team, verheiratet, zwei Kinder. Wir mögen uns und wir halten zusammen. Seit zwölf Jahren arbeite ich wieder in einer Agentur, darf kreativ sein und stehe meine Frau. Es geht uns gut, materiell und seelisch, ich vermute auch ihm. Alles fühlt sich „okay“ an. Und unsere Ehe hat daran einen großen Anteil.

„Okay“? Ich weiß, „okay“ ist für junge Leute kein Ziel, das man mit einer Partnerschaft anstrebt. Okay klingt dröge, nach tief eingegrabenen Fahrspuren, dem immergleichen Trott. Auch wir waren sterbensverliebt und haben vor Lust aufeinander gezittert, wenn wir ihr grade mal nicht nachgeben durften. Auch wir wollten den Himmel stürmen. Mindestens.

Am besten gebe ich’s gleich zu: Ja, manchmal ist mein Leben langweilig, so langweilig wie der Rhein vor unserer Haustür, der heute träge dahinfließt, so dass man kaum weiß: Fließt er nach links oder nach rechts? Aber gibt es nicht auf jeder Party auch langweilige Momente?

Ehe lässt Vertrauen wachsen

Der Hauptvorwurf gegen die Ehe ist ihre formelle Sicherheit. Doch gerade das ist ihre große Stärke. Zur Liebe gehören nämlich auch Vertrauen und der Wunsch nach Geborgenheit. Beide gewinnen an Kraft, wenn ich einen Mann an meiner Seite weiß, der bereit ist zu sagen: „Ich bin immer für dich da! In guten wie in schlechten Zeiten.“ – ohne Gütertrennung. Und schlechte Zeiten gibt es garantiert. Dazu müssen gar nicht erst die rosa Wolken verflogen sein. Eine verpatzte Prüfung, ein fieser Chef, eine Krankheit, ein gestorbenes Kind können meinen Lebensweg und meine innere Landschaft schnell und radikal verändern. Wie gut, wenn ich dann jemanden habe, auf den ich mich verlassen kann.

Dann kann ich mich öffnen, mich ganz hingeben, kann ganz ich sein. Vertrauen darf nicht mit blindem Glauben an den anderen verwechselt werden, Vertrauen wächst. Es ist nicht auf einmal da, sondern bekommt mit jeder überwundenen Hürde einen neuen Wachstumsschub. Und mit jedem Stückchen mehr Vertrauen wandelt sich Verliebtheit ein wenig mehr in Liebe.

Natürlich ist all dass auch möglich ohne Trauschein. Vertrauen kann zweifellos auch ohne dieses Papier wachsen. Aber ich fürchte, seine Wachstumsbedingungen sind ohne Ehe schlechter, gerade in diesen unsicheren Zeiten. Wer hätte gedacht, dass ich hier ein Plädoyer FÜR die Ehe schreibe? Ich am allerwenigsten.

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Freie Liebe ist grade mega-in. Begonnen hat aber alles schon viel früher, mindestens im alten Griechenland vor zweieinhalbtausend Jahren. Damals verführte Zeus bekanntermaßen, was das Zeug hielt. Jede irdische Verkleidung war ihm recht, solange er an die Menschinnen rankam: Stier, Schwan, Adler, Kuckuck. Und noch so manche anderen Götter und Göttinnen hatten sich dem Thema Liebe verschrieben: Aphrodite, Eros, Pan und Dionysos.

Vielleicht ist das ja der tiefere Grund, weshalb die Griechen neben den Brasilianern bis heute als die „Sexweltmeister“ gelten. Mit Sicherheit aber haben die Christen Pans Bocksfüße genutzt, um ihn in den Teufel zu verwandeln und die gesamte Wollust zur Sünde zu machen. Aber das ist ein anderes Thema. Fest steht jedenfalls, dass die alten Römer die noch rituell gezügelten griechischen Orgien übernahmen und in erotisch-sexuelle Volksveranstaltungen verwandelten. Im Rom der Zeitenwende durften alle mit allen: Männer mit Männern, Frauen mit Frauen, Erwachsene mit Kindern.

Für die Christen im alten Rom war diese Zügellosigkeit ein gefundenes Fressen. Zwar zeigte sich so mancher frühe Papst als den spätrömischen Verlustierungen durchaus zugänglich, doch generell wurde freie Liebe als „Sünde“ abgeschrieben – jahrhundertelang. Monogamie galt als das normativ richtige, „normale“ Verhalten, vor allem für Frauen; Männer durften fremdgehen. Grundlegend zu ändern begann sich das erst, als Ende des 19. Jahrhunderts amerikanische Feministinnen es ablehnten, Männern ihren Körper zur Verfügung zu stellen, nur um wirtschaftlich versorgt zu sein. Für sie war die bürgerliche Einehe eine Art von institutionalisierter Prostitution. Der Wiener Arzt Wilhelm Reich entdeckte schließlich Anfang des 20. Jahrhunderts die sexuelle Zwangsmoral als Ursache von Neurosen. So beförderte ihn auch die Hippiebewegung, die freie Liebe für jedermann propagierte, zu ihrem „Guru“.

Als Sexguru bezeichnete die westliche Presse den indischen Gelehrten und Philosophen Chandra Mohan Jain, der sich später Bhagwan und schließlich Osho nannte. Für ihn waren Erotik und Sexualität mögliche Instrumente innerer Befreiung. Seine Jünger, die Sannyasins, waren für die meisten westlichen Linken und Reformer spirituelle Spinner, die zugunsten ihrer emotionalen Befindlichkeit auf gesellschaftlichen Wandel verzichten. Ganz in der Nachfolge der Amerikanerinnen war für viele Linke die „Kommune“ ein Befreiungsinstrument, gerichtet gegen die bürgerliche Kleinfamilie.

In Form der Polyamorie erobert die Freie Liebe heute auch die gesellschaftskritischen Schichten. Hier geht es nicht mehr um das Abwerfen von Zügeln, nicht mehr gegen die alte Moral, sondern um eine Bewegung hin zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dem eigenen Gefühlsrepertoire – wozu eben auch die Sexualität zählt. Polyamorie grenzt sich ab von Polygamie und geht weit über die Monogamie hinaus. Aber auch das ist eine – spannende – weitere Geschichte.

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