Die Zahl der Eheschließungen steigt wieder. Und das wundert mich bei genauem Hinsehen nicht. Zweifellos war der Ruf der Ehe in den letzten Jahrzehnten, spätestens seit den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, lädiert. Sie galt und gilt vielen jungen Leuten als der Inbegriff von veraltet, als eine erstarrte Form. Und so fühle ich mich manchmal auch: wie eingebacken und unbeweglich, wenn mein Mann – oder sollte ich jetzt sagen: mein Gatte – schnarchend neben mir liegt und ich mich selbstbefriedige. Dass er lieber mit seinen jungen Kolleginnen flirtet und die eine oder andere ihm auch zum Opfer fällt, wundert mich nicht. Ich bin aus der Form geraten. Und nach 34 Jahren Ehe weiß Gott nicht mehr die frischeste. Er ahnt, dass ich es weiß, und ich sorge dafür, dass er es ahnt, ohne unser eingespieltes Team durch Blitz und Donner zu gefährden.

Ehe ist wie eine Party: manchmal auch langweilig

Ja, wir sind ein eingespieltes Team, verheiratet, zwei Kinder. Wir mögen uns und wir halten zusammen. Seit zwölf Jahren arbeite ich wieder in einer Agentur, darf kreativ sein und stehe meine Frau. Es geht uns gut, materiell und seelisch, ich vermute auch ihm. Alles fühlt sich „okay“ an. Und unsere Ehe hat daran einen großen Anteil.

„Okay“? Ich weiß, „okay“ ist für junge Leute kein Ziel, das man mit einer Partnerschaft anstrebt. Okay klingt dröge, nach tief eingegrabenen Fahrspuren, dem immergleichen Trott. Auch wir waren sterbensverliebt und haben vor Lust aufeinander gezittert, wenn wir ihr grade mal nicht nachgeben durften. Auch wir wollten den Himmel stürmen. Mindestens.

Am besten gebe ich’s gleich zu: Ja, manchmal ist mein Leben langweilig, so langweilig wie der Rhein vor unserer Haustür, der heute träge dahinfließt, so dass man kaum weiß: Fließt er nach links oder nach rechts? Aber gibt es nicht auf jeder Party auch langweilige Momente?

Ehe lässt Vertrauen wachsen

Der Hauptvorwurf gegen die Ehe ist ihre formelle Sicherheit. Doch gerade das ist ihre große Stärke. Zur Liebe gehören nämlich auch Vertrauen und der Wunsch nach Geborgenheit. Beide gewinnen an Kraft, wenn ich einen Mann an meiner Seite weiß, der bereit ist zu sagen: „Ich bin immer für dich da! In guten wie in schlechten Zeiten.“ – ohne Gütertrennung. Und schlechte Zeiten gibt es garantiert. Dazu müssen gar nicht erst die rosa Wolken verflogen sein. Eine verpatzte Prüfung, ein fieser Chef, eine Krankheit, ein gestorbenes Kind können meinen Lebensweg und meine innere Landschaft schnell und radikal verändern. Wie gut, wenn ich dann jemanden habe, auf den ich mich verlassen kann.

Dann kann ich mich öffnen, mich ganz hingeben, kann ganz ich sein. Vertrauen darf nicht mit blindem Glauben an den anderen verwechselt werden, Vertrauen wächst. Es ist nicht auf einmal da, sondern bekommt mit jeder überwundenen Hürde einen neuen Wachstumsschub. Und mit jedem Stückchen mehr Vertrauen wandelt sich Verliebtheit ein wenig mehr in Liebe.

Natürlich ist all dass auch möglich ohne Trauschein. Vertrauen kann zweifellos auch ohne dieses Papier wachsen. Aber ich fürchte, seine Wachstumsbedingungen sind ohne Ehe schlechter, gerade in diesen unsicheren Zeiten. Wer hätte gedacht, dass ich hier ein Plädoyer FÜR die Ehe schreibe? Ich am allerwenigsten.

[Foto: pixabay_NGDPhotoworks]

von Alander Baltosée

Liebe ist die innige Verschmelzung zweier Seelen.
Gemeinsam fließen sie im puren Sein,
jenseits des Ichs.
Der Weg dorthin ist schmerzhaft, verschlungen und weit.
Wir glauben, die Liebe
im Spiel zwischen Mann und Frau zu finden.
Im Ringen um dieses gemeinsame Seinsgefühl
hält es einem jeden zunächst den Spiegel vor.
Wir sehen und lieben im anderen,
was wir an uns selbst lieben.,
sehen im Antlitz der Geliebten
die verkannte eigene Schönheit.
Wir lassen uns fallen
und fühlen uns geborgen,
öffnen uns meinen uns dem anderen zu zeigen.
Wir fühlen uns verstanden, gesehen und gespürt,
bis zum Grunde unseres Wesens.
Endlich scheint die endlose Einsamkeit vorüber,
das Getrenntsein von der Welt aufgehoben.

Dann trifft uns der brennende Pfeil vergessener Seiten.
Holen uns ein, die altbekannten Ängste, zum xten Male.
Das kennen wir,
das andere trauen wir uns nicht zu wagen.
Wir halten inne nach der Trennung
Bis wir begreifen, dass wir uns
im Anderen erkennen wollen,
dass sich unser eigenes Sein
im Geliebten spiegelt.
Auch jene Seiten, die wir nicht mögen,
die wir für die Liebe zu heilen haben,
um das Sein in wahrhaftiger Verschmelzung
leben, den Tanz zwischen Mann und Frau
wirklich tanzen zu können.

Eine Liebes-Geschichte zeigte mir,
wie das Haben-Wollen den Geliebten ersticken kann.
Die nächste führte mir vor Augen,
wie selbstmitleidiges Opferspiel Schönheit zerbricht,
eine andere ließ mich nachempfinden,
zu welch’ grausamer Waffe sich Wut verwandelt.
Kennt kein Halten mehr, der Zorn, mit seinen Worten.
Schießt Sätze wie Geschosse in den Raum,
die sich ins Gedächtnis graben,
leidvoll in der Seele Wunden schlagen.
Ein anderes Mal war die Geliebte so eifersüchtig,
dass jedes Vertrauen darin erstarb.
Immer wieder zeigte mir das Leben
im Gewande der Liebe,
wie sich eigenes Verhalten für andere anfühlt.
Indem wir es durch den Geliebten selbst erfahren,
erkennen wir, wann und wo wir andere schmerzten.
Die Liebe, das, was wir so nennen,
entlarvt blinde Flecken schonungslos,
will sie heilen und erlösen,
um sich frei entfalten zu können,
über enge Horizonte des Ichs hinaus.
Die Geduld der Liebe zerreißt am inneren Widerstand,
sich selbst erkennen zu wollen.
Man findet sich wieder im Alleinsein mit sich selbst.
Hast nicht vergessen, dankbar zu sein,
für all die Selbsterkenntnis,
doch schmerzvoll brennt der Verlust
der dich jäh ereilte.
Die Geliebte lockt und betört,
mit ihren Reizen, mit ihrer Hingabe.
Verschenkt sich liebestrunken
und entblößt im gleichen Zuge
die Unfähigkeit des Menschen, die reine Liebe anzunehmen.
Und ihr ergeht es ebenso.
Sie lässt spüren, wie schrecklich es sich anfühlt,
wenn Liebe nicht angenommen werden kann.

Das Vertrauen ist im Verliebtsein gewachsen,
ließ Hingabe wie Blüten in den Maiwind treiben,
bis aus nichtigem Anlass der Zauber erlischt,
im Augenblick, in dem Zweifel und Argwohn
sich fast unmerklich einzuschleichen beginnen.
Ein seltsamer Blick der Geliebten
stiftet Verwirrung, lässt dich ins Bodenlose stürzen.
Du schaust sie an und fühlst,
dass das Edle zerbrochen ist.
Nichts vermag es aufzuhalten,
als sei es unumstößliches Gesetz.
Im glückseligen Liebestaumel,
wird sich in Freude umschlungen.
Doch das Gift von Argwohn und Misstrauen
macht mit einem Mal den Zauber zunichte.
Plötzlich aus dem Nichts gekommen, ist er da,
dieser Impuls, mit dem uns das Vertrauen verlässt.
Wir haben uns weggeschenkt,
im Geben vergossen.
Doch dann schlägt eine Tür ins eiserne Schloss,
stellt durch ein einzelnes Wort,
mit einem einzigen misverstanden Satz,
das Heilige in Frage.
Aus dem Himmel gefallen.

Du ließest Dich verzehren,
betörende Reize lockten dein Begehren,
ließen dich glauben, es sei die Liebe,
der du folgst.
Bis der Moment der Erschöpfung kommt
und das Weib unersättlich bleibt.
Zurückgeworfen und beraubt der Illusion,
die hoffen und glauben ließen,
es gäbe ein immerwährendes Glück zu zweit,
als gäbe es den richtigen Lebenspartner,
zwei Wesen, Mann und Frau,
die zwei Hälften einer Seele sind.

Was eben noch Liebe war,
ist nun bizarre Fremde.
Ein Wort, ein Satz provoziert die Frage,
ob man den anderen wahrlich kennt.
Was geht in ihr vor,
kann sie mich spüren?
Ist sie so nah bei mir,
dass ihre Liebe die Zweifel besiegt?
Waren alle Bekenntnisse,
die schönen Worte und Komplimente
nur im Taumel der Euphorie
von den Lippen geflossen?
Welche Kraft reitet uns dann,
wenn wir uns romantisch ergießen?
Ist das die Liebe oder hungrige Begierde?

In einem Moment war jede Berührung
noch natürlich und ungezwungen,
dürstete die Liebe nach Zärtlichkeit,
labte sie sich in sinnlicher Erotik.
Ein winziger Augenblick, ein Gedanke,
eine Geste oder ein fragender Gesichtsausdruck,
lassen die Seelen aus der Wonne fallen.

Die Fragen nach dem Warum wollen nicht enden
und es gibt keine Antworten darauf.
Mann und Frau sprechen
zwei unterschiedliche Sprachen,
verstehen nicht des anderen Sinn.
Hörst nur noch, was deine Ängste nährt,
alte Wunden wieder aufbrechen lässt.
Eine Spirale der Verwirrung
beginnt sich zu drehen.
Jeder Versuch der Klärung
verhärtet die entstandenen Fronten.

Wag ich noch,
ihre Haut zu streicheln,
ihre Nacktheit wie ein Fest zu feiern,
mich von ihrem Liebreiz verführen zu lassen?

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Die Handwerkerin in mir weiß: Klammern brauche ich immer, damit etwas nicht auseinanderfällt. Oder damit ich ihm eine Form geben kann, die es normalerweise nicht hat. Haarklammern zum Beispiel. Oder die Klammern, die ich mit einem Tacker in die Plastikplane schieße, damit sie am Holz hält.

Wenn ich jetzt mal das Gerät zum Vergleich nutze, dann bin ich das Holz, mein Mann die Plane und der Standesbeamte der Tacker. Bis dass der Tod – bzw. die Verrottung des Holzes – uns scheide. Braucht es die Ehe? Die politische Gebetsmühle sagt: Ja, sie ist staatserhaltend. Hm, deswegen soll ich heiraten?

Ich will nicht abschweifen und zur Klammer zurückkommen. Zum Klammern genau gesagt. Wenn ich gemischtgeschlechtlich unterwegs bin, fällt nicht selten das Wort, dass wir Frauen klammern und die armen Männer bewegungseingeschränkt sind. Stimmt schon irgendwie: Der Schnelllauf in fremde Betten wird durchs Klammern erheblich gestört. Aber warum klammere ich? Ich brauche den Typen doch gar nicht, und mein Junge ist aus dem Gröbsten raus. Wenn ich beim Abendessen sage: „Ist es okay, wenn ich heute Abend mal länger unterwegs bin? Brauchst du mich?“, schaut er mich an wie ein Psychiater einen Geisteskranken. Im besten Fall hat er Mitleid mit mir, dass ich immer noch nicht kapiert habe, wie groß er schon ist. Ich sage ihm natürlich nicht (und manchmal gesteh ich’s nicht mal mir selbst ein), dass ich mit seinem Vater nur ausgehe, weil auf der Party ein paar gefährliche Frauen unterwegs sein werden. Wenn ich auch da bin, gibt es keinen „Ausrutscher“.

Ist das Klammern? Vielleicht. Aber warum tue ich das? Klar: Damit er mir nicht abhandenkommt. Ich würde ihn vermissen und all das, was bei uns gut klappt. Die Vertrautheit, die Normalität, die sich ergeben hat und mit der wir beide einverstanden sind. Er ist ein Partner und ein Vater. Er kann beides. Das ist schön. Wenn „Bett“ stattfindet, könnte er langsamer zur Sache kommen, aber so sind sie nun mal: im Zweifelsfall leicht zu erregen. Ist ja auch irgendwie schön, dass es – manchmal – noch klappt. Aber er ist mit seinen paarundfünfzig Jahren bei anderen Frauen ein bisschen wie ein Junge. Würde ich nicht auf ihn aufpassen, würde er sich in wer weiß was verstricken und aus der Falle nicht mehr rauskommen. Die anderen sind ja auch nicht doof. Mein Klammern ist also eher eine Art Schutzengelfunktion. Anders als die mechanischen Klammern sorgt es dafür, dass zusammenbleibt, was zusammengehört.

Liebe auf den ersten Blick – soll es geben. Weit häufiger ist aber wohl die Liebe auf den 50. Blick, der uns dann endlich sagt: „Sie ist wirklich ‚super‘.“ Auch bei Frauen soll gelegentlich der Liebesblitz einschlagen, aber vermutlich erst beim 75. Blick. Frauen testen länger, ist meine Erfahrung. Und je mehr Erfahrung sie mit dem scheinbar starken Geschlecht haben, desto seltener sind sie zu einer Partnerschaft bereit; sie wollen sich nicht die Finger versengen lassen.

Lohnende Arbeit für die Partnerschaft

Aber irgendwann „schnackelt’s“ eben doch mal und der rosa Nebelwerfer gerät in Fahrt. Lichtet sich der Nebel, weil der Rosenmonat vorbei ist – oder die Rosenjahre –, bleibt meist doch noch genug Positives in der Partnerschaft, um an IHR oder IHM festzuhalten. Bevor uns aber gar nicht mehr einfällt, was wir an unserem Partner einstmals so bezaubernd fanden, sollten wir ein paar Kilojoule „Beziehungsarbeit“ investieren.

Natürlich muss man nicht so lange warten. Früher damit zu beginnen lohnt sich, weil man dann viel länger viel mehr voneinander hat. John Gottman, Professor für Psychologie an der University of Washington, schrieb schon vor Jahren ein Buch, das man als das „Grundlagenwerk der Beziehungsrettung“ bezeichnen könnte. Darin gibt er zu bedenken, dass man sich nur dann streitet, wenn noch eine innere Bindung vorhanden ist. Streit in einer Partnerschaft ist also nicht grundsätzlich negativ.

So funktioniert „guter Streit“ in der Partnerschaft

Doch mit 7 fundamentalen Tipps streiten Paare wirkungsvoller, solange sie noch einander wohlgesonnen sind:

  1. Macht in friedlichen Zeiten eine Art Streit-Vertrag miteinander. Legt ein paar einfache Regeln fest, die beiden einsichtig sind und die zu befolgen beide bereit sind. Schließlich sind es ja die eigenen Regeln. Vielleicht hilft der Gedanke, dass ein Disput nur dann Sinn ergibt, wenn man zu irgendeinem Ergebnis kommt. Ein Punkt sollte im Vertrag vorkommen: Was tun wir, wenn einer von uns das Gefühl hat, der Streit ist zwecklos?
  2. Installiert ein Signal oder Wort – zum Beispiel „Stop!“ –, das eine sofortige Streitpause erzwingt. Dann geht man ohne weiteren Disput auch räumlich eine Weile auseinander, bis sich die Gemüter abgekühlt haben. Mit einem Streitstop-Signal lässt sich mancher schöne Abend oder sogar Urlaub retten. Ein Stop ist aber nur dann sinnvoll, wenn das Thema weitergeführt wird. Dafür sollte es nach dem Stop einen neuen Termin geben.
  3. Überlegt euch, womit sich jeder am besten abregt. Der eine mag vielleicht meditieren, der andere macht Liegestützen.
  4. Überlegt, was der tiefere Grund hinter der Kleinigkeit ist, weshalb ihr euch in die Haare kriegt. Was ist euch so wichtig, dass ihr ein Kinkerlitzchen zum Anlass nehmt, dem anderen an den Hals zu fahren. Sprecht über dieses Wichtige und nicht über die „Zahnpastatube“.
  5. Wenn ihr neu in den Ring steigt, idealerweise auch schon zum ersten Mal, vereinbart einen Zeitraum, an dem ihr das Thema (vorerst) beendet. 20 Minuten sind eine gute Zeit. Stellt den Wecker.
  6. Überlegt euch, was auf dem Spiel steht, falls euer Streit schlimm endet. Wollt ihr diesen Verlust wirklich riskieren?
  7. Bemüht euch vor dem Gespräch um ein möglichst gutes Klima. Dazu gehört auch die eigene Wachheit. Vorsicht mit Alkohol!

Buchempfehlung: John M Gottman, Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe (antiquarisch erhältlich)

Weitere Tipps: http://www.ev-kirche-dortmund.de/uploads/media/tipps_streitpaare.pdf

Es gibt ja gemeine Witze über Frauen, die in der Hochzeitsnacht die Perücke ablegen, das Gebiss, den Hüftgurt und den Push-up-BH. Doch steckt dahinter nicht diese peinliche Wahrheit: Wir tendieren dazu, uns schöner zu machen als wir sind? „Ich muss mich noch herrichten“, heißt das zum Beispiel. Besonders wenn’s auf Männerfang geht, wird noch die letzte Falte ausgebügelt, jedenfalls bei uns Frauen über 30.

Make-up kann uns aufpolieren – und so manches kaschieren, was das Erscheinungsbild stört. Die eine oder andere Hautunreinheit mag da noch angehen; die würde eines Tages ja vielleicht auch von alleine verschwinden, aber wie, wenn rassige, hohe Wangenknochen im Party-Make-up vorgetäuscht werden oder wenn künstliche Wimpern einen falschen Augenaufschlag erzeugen? Ist mit solchen Tricks nicht schon kurzfristig Enttäuschung programmiert? Und nach welchem Vorbild richten wir uns da eigentlich? Und welche Männer sind unsere Zielgruppe?

Ganz gewiss stimmt, dass Hormone, erst einmal in Wallung gebracht, wirkungsvoller sind als jedes Make-up oder jeder Push-up. Männer in Brunft lassen einem so  ziemlich alles durchgehen – weshalb es zu den Tricks unseres Geschlechts gehört, ihre dauerhafte Abkühlung tunlichst zu vermeiden. Durch die rosa Brille verzeihen aber auch wir dem anderen so ziemlich jeden Makel – das ist der kosmetische Dominoeffekt des Schlafzimmers.

Unter dieser Prämisse sei mal das Gedankenspiel erlaubt, ob es nicht sinnvoller wäre, ohne Kosmetik zu leben. Oder sich gezielt unattraktiv „herzurichten“? Oder wenigstens doch so normal oder banal, wie man eben aussieht. Wieso? Nun, weil dann alle die, die sich eines Tages voraussichtlich enttäuscht von mir abwenden werden, von vornherein durchs Raster fallen. Dann bezirze ich doch lieber all jene, die spontan auf mich anspringen und meine kleinen Brüste, mein Lächeln, meinen rundlichen Gesichtsschnitt und meine blassblauen Augen ohne alle Tricks attraktiv finden.

Was nun nicht heißt, dass es bei einer solchen Vorgehensweise verboten wäre, sich gründlich zu waschen, die Zähne zu putzen oder etwas Hübsches anzuziehen – solange all das keinen falschen Schein erzeugt.

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Liebe zwischen den Geschlechtern ist ein Glaubenssatz, eine mentale Infusion. Nur weil sie uns von früher Kindheit an via Illustrierten, Filmen und Romanen eingetrichtert wurde und wird, muss dieser Mythos noch lange nicht wahr sein. Oder doch?

Ich weiß: Jetzt ernte ich nicht nur Kopfschütteln, sondern Vermutungen über meinen Geistes- bzw. Seelenzustand. Ich kann euch versichern: Ich bin durchaus bei Troste. Und ich bin seit 1979 verheiratet, mehr oder weniger glücklich (was auch immer das heißen mag). Oder ist das eher ein Hinweis, dass ich doch gestört bin?

Spaß beiseite: Wie kann man nur an der Wahrheit der „Liebe zwischen den Geschlechtern“ zweifeln? Nun, es hat im Jahr 1600, als die Hexenverbrennungen ihren Höhepunkt hatten, auch Menschen gegeben, die an der Existenz von Hexen gezweifelt haben. So viel zum gesamtgesellschaftlichen Konsens von Wahrheiten.

Was nährt also meinen Zweifel an der „Liebe zwischen den Geschlechtern“? Zum einen ganz banale Einsichten: So gut wie jeder glaubt zwischen seinem 14. und 30. Lebensjahr, die oder den RICHTIGEN gefunden zu haben, den EINZIGEN oder die EINZIGE, AUSERWÄHLTE. Je weniger Erfahrung wir haben, desto leichter bilden wir uns das ein. Und je unerfahrener, gieriger bzw. ausgedürsteter wir sexuell sind. Es ist so, als hätte die Evolution eine Art Bratpfanne aufs Feuer unserer Hormone gestellt, und je nachdem, ob wir mehr auf Hausmannskost, chinesische Küche oder Steak getrimmt wurden, steigt uns der verführerische Duft einer appetitlichen Geschlechtsmahlzeit in die Psycho-Nase. Noch nie, meinen wir, hätten wir so etwas Köstliches auf dem Teller gehabt wie IHN oder SIE; das muss sie sein, endlich – die große Liebe.

Pardon für den banalen Bratpfannen-Vergleich. Ich will damit nicht all jene hohen Gefühle verunglimpfen, die bei menschlichen Geschlechtsritualen im Spiel sind. Der Vergleich kam mir vielleicht, weil ja gerade jetzt die Geschlechter wieder ihre Reize und Körpersignale aufs Köstlichste auspacken. Das Ergebnis ist vorherseh- und -sagbar: neue Liebesbeziehungen, neue Affären, neue Seitensprünge, neue Kinder, neue Hoffnungen, neue Enttäuschungen, neue Seelenqualen. Und auch: viele vorgetäuschte Orgasmen.

Bei genauer Betrachtung glaubt freilich kaum jemand, dass es nur die oder den einen gibt. 99 Prozent aller Liebeskummer-Fälle lösen sich von alleine auf, indem ihre Ursache durch eine gleichwertige Alternative gelöscht oder wenigstens ausbalanciert wird. Was war also dann die große Liebe? Die Beziehung davor oder die danach? Und nicht ganz zufällig sinkt die Rate spontaner Verliebtheiten mit wachsender Geschlechtererfahrung. 80-Jährige verlieben sich nicht deswegen weniger, weil sie es nicht mehr könnten, sondern weil sie ganz einfach sehr viel mehr um den Trug wissen, der in der Luft liegt, wenn die Hormone mal wieder auf die Hirnanhangdrüse durchgreifen.

Was alles nicht heißen soll, Liebe machte keinen Spaß. Ja doch, tut sie.

[Foto: pixabay_miapowterr]

Antwort einer Frau zu „Seufzen verboten“ von Bobby Langer

Um es gleich vorwegzunehmen:

  1. Das „Göttinnen-Gefühl“ kenne ich auch – einerseits in Bezug auf mich und mein Frausein, andererseits als „universelles Gefühl der Liebe“ (worum es aber in diesem Blog nicht oder nur am Rande geht, insoweit eine Thematik aus dem Komplex „Mann-Frau“ in dieses weiterreichende Gebiet hineinragt).
  2. Ja, lieber Mann, Du darfst! (Und darauf gehe ich hier ein; es juckte mich quasi sofort nach dem Lesen in meinen Fingern bzw. regten sich meine Hirn- und Herzzellen, ob jetzt YIN oder YANG, weiblich, männlich oder irgendwas dazwischen!)

Das NEIN, lieber Bobby, beantwortest Du, wie mir scheint, ja bereits durch einige Deiner Fragen. Denn wäre es wünschenswert – im Sinne von LEBEN –, dass ein Mann (der ja in erster Linie erst mal ein Mensch ist) seine Leidenschaft und Fantasie beschränkt, den Schmetterling in seiner Seele (welch schönes Bild!) totschlägt? Das kann ich nur mit einem großen NEIN beantworten. Als Mensch muss ich dies so beantworten. Und so ergibt sich für mich der nächste Schritt: Wie der Mann also damit umgeht, wenn er seine Faszination ausdrückt. Wie reagiert er auf seine Umgebung, wenn sie ihn tatsächlich belächelt? Ist er sich denn selbst seiner ureigenen Männlichkeit bewusst? (Wer sagt überhaupt, dass Schwärmerei für das Schöne, das Göttliche nicht zu Männlichkeit passt? Gab es nicht z.B. die Minnesänger? Was ist mit Autoren wie Garcia Marquez oder Figuren wie Don Juan? Denen wird wohl niemand ihre Männlichkeit abgesprochen haben oder heute absprechen, obwohl sie das Weibliche besungen und hochgehalten haben! Aber sogar, wenn Mann kein offensichtlicher Macho ist, ist er dann unmännlich? Sind wir immer noch nicht so weit, dass jeder Mensch seine eigene Definition für sich selbst finden darf? Ob Mann, Frau oder irgendeine Zwischenform? Gibt es diese statisch anmutende Einsortierung überhaupt? Gab es sie je? Ja, ja, ich weiß: gesellschaftliche Normen und Moden … Aber auch diese wechselten immer wieder. Wie sieht es heute damit aus?)

Obige Fragen wird sich der Mann wohl selbst beantworten müssen, wobei der Austausch auch mit „den“ Frauen dazu beitragen kann und von ihnen bestimmt wird.
Wie sieht es mit Bobby Langers Vermutung aus, dass SIE ihn nicht ernst nähme, wenn er von (und vor) ihr schwärmte? Oder sich gar angemacht fühlte? – Meine Entgegnungen darauf: Achtsamkeit und Mut. Aber eine Garantie gibt es natürlich auch dann nicht, dass eine Offenbarung gegenüber der Erwählten auf die Resonanz stößt, die Mann sich wünscht. Klar. Dafür sind wir – ob Frau oder Mann – zu verschieden, einzigartig jeweils.
Ist es ein Drama für den Mann, wenn Frau sich nicht angesprochen, vielleicht sogar belästigt fühlt? Kann Mann die Reaktion nicht einfach bei der Frau lassen? Wenn sie es nicht annehmen kann, hat es da überhaupt einen Sinn, ihr das Innere (des Mannes) zu zeigen? Welchen?
Und was ist, wenn Mann sich das offene Schwärmen versagt – und so die Chance vertut, mit der Angebeteten in Kontakt (sei es für ein Lächeln, sei es für eine Nacht oder gar länger) zu kommen?

Mir scheint, den Mut aufzubringen, sich selbst auszudrücken in seiner Einzigartigkeit, berührt hier tiefe, allgemein menschliche Bedürfnisse nach Gesehenwerden, nach Angenommenwerden, nach Geliebtwerden …

Was ist nun, wenn Mann sich traute (Fragestellung zwei von Bobby Langer)? Der Blitz trifft ihn beim Anblick dieser Göttin, er möchte zu ihr gehen und sich offenbaren … Und das soll er NICHT dürfen? (Sagt Bobby.) Aber warum, um Himmels willen? Leben wir wirklich noch so im „Mittelalter“ (oder gar noch schlimmer, da ja an sich in den Medien kein Thema mehr tabu zu sein scheint)? … Ich habe keine Antwort darauf. Bin keine Wissenschaftlerin oder Soziologin. Mag da auch keine gesellschaftlichen Konventionen gelten lassen. Ich – Frau in den besten Jahren und mit jeder Menge Lebenserfahrung (mit sich und auch mit vielen Männern) – kann und mag mich wohl auch nur ganz persönlich dazu äußern:

Bitte traut euch, Männer! Seid ganz Mann! Oder einfach: Mensch! Teilt doch bitte uns Frauen mit, wenn ihr begeistert seid! (Ich lasse mal all die Situationen weg, in denen es mal nicht passen kann bei der einen oder anderen, was ja ganz menschlich ist, steht frau ja auch nicht immer auf Empfang!)

Beschenkt uns mit Pfauenaugen, mit Poesie, mit Hingabe! Doch seid authentisch dabei (– nicht jedem Mann mag die Poesie flüssig von den Lippen kommen)! UND: Verwechselt nicht den Ausdruck eurer Verzückung und Verehrung für das Göttliche in dieser Frau mit dem zu erfüllenden Begehren! Denn die Verbrämung von Wunsch nach (sexueller) Lusterfüllung mit  Worten von Anbetung und Schwärmerei, die wird sie durchschauen! Vielleicht nur unbewusst, doch sie wird das Unausgesprochene spüren. Um dies klarzustellen: Ich bin auch dafür, sexuelles Verlangen deutlich auszusprechen (was auch nonverbal geschehen kann). Doch das eine zu sagen und das andere zu meinen, kann zu Verwirrung und natürlich dann auch zu Ablehnung führen. Vielleicht sollte sich Mann erst mal darüber bewusst werden, was sich da in ihm so heiß regt!?

Bobby Langer, Du fragst, ob sie sich als Objekt missbraucht fühlen könnte … Ja, das könnte sie. Doch nur, wenn Mann nicht wirklich selbstbewusst ist und erwartet, dass Frau ihn auch dann versteht und annimmt, wenn er es nicht ist.

Ich plädiere für eine lustvolle UND achtsame Offenheit. Ja, und natürlich auch von uns Frauen gegenüber Männern! … Allerdings haben wir Frauen da mit dem Sich-erklären gegenüber dem Mann wohl noch ordentlich Übungsbedarf! Das war in den vergangenen Jahrhunderten wohl eher nicht so „in“, vermute ich, wenn ich mir die vermittelte, bekannte Geschichte anschaue.

Wie wär’s, wenn wir alle, egal wer wir sind oder wen wir lieben (oder von wem wir uns sexuell angezogen fühlen), mutig lernen, uns ehrlich zu zeigen?! Ohne Erwartung auf irgendeine Erfüllung allerdings, denn dann sind mehr oder weniger schmerzhafte Enttäuschungen wohl vorprogrammiert. Sich zeigen ganz grundsätzlich und nicht nur in in einer Situation der „Liebe“, wenngleich das offensichtlich ein besonders sensibles Feld ist und dementsprechend umso achtsamer „bestellt und beackert“ werden muss.

Wie wäre es also? Wollen wir unsere Leben bereichern? Gegenseitig bereichern? Wollen wir mehr Farben? Mehr Töne? Mehr Gefühle? Mehr Tiefe? Mehr wirkliche Verbindung?

Dann bleibt uns wohl nur eine Richtung: hin zum JA und zum Schwärmen!

Dann wird Seufzen nicht nur erlaubt, sondern willkommen sein!

Arwén

„Guys we fucked“ nennen die beiden Amerikanerinnen Krystyna Hutchinson und Corinne Fisher ihren Podcast. Das will und soll provozieren, denn schließlich drehen die beiden den Geschlechter-Spieß herum. Daran werden auf einmal keine Mädels über dem Feuer männlicher Lust geröstet, sondern umgekehrt, die Guys werden „verheizt“. Doch es steckt weit mehr hinter dem krassen Titel, wie sein ergänzender Slogan „The Anti-Slut-Shaming Podcast“ klarstellt: ein neuer weiblicher Emanzipationsschritt – die Ankündigung, dass frau die Schlampen-Etikettierung („Slut“) nicht mehr hinnehmen mag; dass frau sich nicht mehr dafür schämen muss, wenn sie ganz einfach auch mal Lust auf die Lust hat.

Seien wir doch mal ehrlich: Mädels, die es wild treiben und sich Jungs „nur so zum Spaß“ schnappen, sind in bürgerlichen Kreisen alles andere als gesellschaftsfähig. Dort sähe man die Schwiegertochter doch eher noch züchtig, während man dem eigenen Sohn den Parcours durch die Betten als „Vorbereitung aufs Leben“ durchgehen lässt. Der eigene Sohn „gefickt“? Undenkbar.

Dass Hutchinson und Fisher den Nerv vieler junger Frauen in den USA getroffen haben, belegt die Zahl ihrer Abonnentinnen: über eine halbe Million. Es ist anzunehmen bzw. zu hoffen, dass sich auch junge deutsche Frauen nicht mehr mit dem Bild des „züchtigen (und vielleicht sogar nicht mehr ganz so jungen) Mädchens“ identifizieren, ohne deswegen gleich ins Vamp-Lager überwechseln zu müssen. Vielleicht darf Spaß am Sex auch für Frauen ganz normal sein.

Den Original-Podcast findet ihr unter https://soundcloud.com/guyswefucked.

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[Foto: pixabay_xusenru]

 

Ein afrikanisches Märchen

Stellt euch ein Dorf vor, ein afrikanisches Dorf, mit Ziegen, runden Lehmhäusern, Palmen, einem Brunnen … Hunden, Menschen … heißer Sonne und einem großen Wald nebenan. In diesem Dorf lebten ein Mann, seine Frau und ihr Sohn. Der Sohn wurde groß mit den Worten: „Wenn du mit einer Jungfrau schläfst, wirst du sterben!“ – Der Vater sagte es und die Mutter sagte es. So wuchs der Junge heran, und als er in das Alter kam, da er nach den Mädchen sah und sie nach ihm … da … eines Tages nahm ihn der Vater und führte ihn in den Wald. Die Eltern hatten ihm eine Hütte gebaut. „Hier wirst du wohnen“, sagte der Vater. „Wir wollen nicht, dass du stirbst. Hier wirst du keine Jungfrau treffen.“ Sie brachten ihm das Essen.

Doch der Wille der Eltern ist eins, die Kraft des Lebens etwas anderes. Denn, na klar, kam ein junges Mädchen vorbei und sie spielten miteinander. Sie entdeckten sich und den Wald. Am Abend sagte der Junge zu dem Mädchen: „Wenn ich einmal mit dir schlafe, werde ich sterben. Es wird sein, als ob sich ein Schwert in mein Herz bohrt, sagte mein Vater.“ „Dann werde ich nicht wiederkommen!“, antwortete das Mädchen. „Doch, bitte komm wieder.“ Und so kam es wieder und sie entdeckten sich und den Wald. Und eines Tages liebten sie sich und schliefen miteinander, und so wie der Vater und die Mutter es prophezeit hatten, geschah es: Der Junge starb.

Und das Mädchen? Es ging in den Wald zu einem alten Jäger und erzählte ihm, was geschehen war. Der alte Jäger war vertraut mit dem Tod und sagte: „Das ist kein Problem.“ Er nahm eine Eidechse, die er im Gras fand, und steckte sie in die Tasche und dann gingen sie ins Dorf. Die Eltern hatten den toten Jungen gefunden und ihn unter großem Wehklagen in die elterliche Hütte zurückgebracht. Das ganze Dorf begann zu klagen. Da trat der Jäger mit dem jungen Mädchen in die Hütte: „Klagt und jammert nicht!“, rief der alte Jäger. „Der Junge ist noch nicht tot! Errichtet einen großen Reisighaufen auf dem Dorfplatz und legt den Jungen darauf. Dann zündet das Reisig an. Ich werde eine Eidechse in die Flammen legen. Und wenn ihr es schafft, sie herauszuholen, dann kommt der Junge ins Leben zurück. Schafft ihr es nicht, so wird er verbrennen.“

Die Dorfbewohner hatten Vertrauen zu diesem alten Mann und taten, wie er es ihnen geheißen hatte. Als die Flammen züngelten, trat die Mutter an das Reisig heran und wollte die Eidechse herausholen, doch die Flammen schlugen ihr ins Gesicht, sodass sie erschrocken zurückwich. Auch dem Vater ging es nicht anders. Und die junge Frau? Sie sprang mitten in das Feuer hinein und trug die Eidechse aus dem Feuer. Der junge Mann erwachte und erschrak, als er sich auf dem Feuerhaufen liegen sah. Schnell sprang er herunter, und die Trauer wandelte sich in Freude und ein großes Fest wurde gefeiert.

Am Abend wandte sich der alte Jäger an den jungen Mann und die junge Frau, den Vater und die Mutter, und sie gingen ein Stück beiseite. Der Jäger nahm die Eidechse wieder und zog ein Schwert. Das gab er dem jungen Mann und sagte: „Wenn du die Eidechse tötest, dann wird deine Mutter sterben und du wirst mit deiner Frau weiterleben. Tötest du sie nicht, dann wird deine Frau sterben und du wirst mit deiner Mutter weiterleben.“

Was würdest du tun?

Erzählt von Fank-Ole Haake nach „Michael Meade: Die Männer und das Wasser des Lebens“

Foto: emilyhasson_pixabay.de

„Die Oma würde ich nicht von der Bettkante stoßen.“ Zugegeben, der Spruch lag mir noch nie auf den Lippen. Was nichts über die Attraktivität älterer Frauen aussagt, sondern vor allem über meine eingefahrenen Denk- und Fühlgewohnheiten. Ebenfalls zugegeben: Junge Frauen werden ihren Reiz auf mich wohl bis kurz vor dem Krematorium behalten – was einerseits etwas über Evolution aussagt, aber eben auch über Verhaltensmuster.

Mit 32 Jahren hatte ich mich in eine wunderbare Frau verliebt. Stumm und ohne Offenbarung, denn erstens war sie Pfarrerin und zweitens war ich verheiratet mit damals noch zwei Kindern. Das Spannende daran: Irgendwann erfuhr ich, dass sie vier Kinder hatte und 48 war. Aha.

Heute denke ich: Das war mein Zugang zur Liebe im Alter. Heute bin ich über 30 Jahre älter, aber an meinem Gefühlsrepertoire hat sich fast nichts geändert. Fast. Und dieses „fast“ hat es in sich: Ich spüre eine viel größere Geduld in mir, eine viel größere Freude an langsamer, feiner Entwicklung von Zuwendung und Zärtlichkeit. Ob sich dann daraus mal Sex entwickelt oder nicht, ist beinahe egal. Was nicht heißt, dass mir ein One-Night-Stand nicht auch mal gelegen käme. Nur: Wichtig ist er gar nicht mehr, er erscheint mir eher wie ein Eingangsportal zu Beziehungsproblemen, die ich nicht mehr brauche.

Zwei Drittel aller Deutschen über 65 haben noch Sex, erzählt uns Klaus Beier, Leiter des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Charité, schwächt das Thema aber gleich ab, indem er die sinkende Koitus-Frequenz betont. In gleich welchem Alter gehe es uns um „Nähe, Annahme, Sicherheit und Geborgenheit“, um „Geborgenheit“. Stimmt, so ist das. Und genau genommen: Das war auch vor 30 Jahren so.