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von Claudio Hermani, Hermani Heritage

Kim erwachte durch einen Sonnenstrahl, der ihr durch den Spalt zwischen den schweren leinenen Vorhängen auf die Augenlider gewandert war.

Es dauerte einen winzigen Augenblick, bevor sie das Zimmer erkannte, einen weiteren, um zu denken, dass doch eigentlich schlechtes Wetter angesagt war.

Sie sprang aus dem Bett, zog beide Stores zur jeweiligen Seite, öffnete die Glastüren und trat auf den Balkon.

Sie jauchzte, begeistert von den riesigen, weißen Bergen, dem tiefblauen Himmel, der eiskalten Luft, deren sauberer Duft sie sofort in ihre Kindheit beförderte und ebenso schnell erschaudern ließ.

 

Die Wohnung ihrer Freunde war gut ausgestattet, sie fand eine kleine, altmodische Espressomaschine auf dem Herd, Kaffee hatte sie am Abend vorher im Dorfladen gekauft, zusammen mit Bündnerfleisch, Bergkäse, guter Schweizer Butter, knusprigen Bürli und ein paar Flaschen Veltliner.

Sie hatte den Kamin angemacht, ein weiterer Duft, der ihr fehlte, und das Abendessen genossen. Alleine, ohne TV oder Radio, nicht einmal Musik hatte sie angestellt, um das Knistern des Feuers besser hören zu können – und die Stille des Hauses.

Was ihr überhaupt nicht fehlte, war Robert.

Nicht sein Fahrstil auf dem Weg hierher, nicht seine Hilfe beim Herauftragen der Taschen, nicht sein exakt 50%-Beitrag beim Einkaufen.

Und nicht den Sex mit ihm, bei dem er sich, ähnlich wie beim Autofahren, zwar zielstrebig zeigte, aber auch eigensüchtig, zu schnell, an anderen Verkehrsteilnehmern uninteressiert.

 

Im Keller fand sie passende Skischuhe, Skier, Stöcke und war tatsächlich vor neun Uhr aus dem Haus.

Auf dem Weg zur Talstation der großen Seilbahn hatte sie am Abend vorher einen Sportladen gesehen, wo sie die Bindung auf ihr Gewicht einstellen ließ.

Die Tageskarte war wirklich sehr teuer, als Kind hatte ein Abonnement für die ganze Saison gerade drei Mal so viel gekostet; sie hatte einmal einen ganzen Winter hier oben verbracht, mit ihrem Vater, der das immer so machte.

Das Wetter hatte sich nun doch zum Schlechteren geändert, ab einer gewissen Höhe fing es an zu schneien, und auch der Wind nahm zu.

Als sie oben angekommen war, überlegte Kim, ob sie zum Aufwärmen zurück zur Talstation fahren sollte, entschied sich dann aber doch, weiter hochzufahren.

 

Diesmal saßen sie zu dritt in einer der kleinen Gondeln, die aus dem gleichen Gebäude starteten.

Sobald sie dieses verlassen hatten, brachte der Wind die Kabine derart zum Schwanken, dass Kim mit der Schulter gegen ihren Nachbarn prallte.  Der andere der beiden Männer schob das kleine Fenster nach oben, wodurch das laute Pfeifen ein wenig nachließ.

Grinsend schaute Kim die beiden an und sagte:

„Schön, zwei starke Männer dabei zu haben! Ich hoffe, ihr beide seid Cowboys, das sieht nach einem ziemlich wilden Ritt aus! Ich bin übrigens Kim.“

Ihr Gegenüber schien von der Situation alles andere als belustigt und sagte mit wütender Stimme: „Auf diese Art von Ritt kann ich verzichten! Wieso haben die Idioten uns überhaupt losfahren lassen, das ist unverantwortlich! Und ich habe Höhenangst!“

Mit jeder Schaukelbewegung wurde er ernster und ein wenig bleich noch dazu.

Der Mann neben ihr schien zwar auch beunruhigt, hatte aber immerhin die Kraft, sich vorzustellen: „Hallo Kim, ich bin Erik. Freut mich, dich kennenzulernen, wenngleich mir ein etwas weniger begleitendes Drama lieber gewesen wäre!“

„Benedict“, sagte der andere knapp.

Na toll, dachte Kim bei sich, von wegen starke Männer, ich bin scheinbar am wenigsten verängstigt.

 

Im gleichen Augenblick blieb die Gondel stehen.

Das heißt, es gab keine Vorwärtsbewegung mehr, denn seitwärts pendelten sie dermaßen, dass sie sich alle drei in jede Richtung abstützen mussten, um nicht von den Sitzen zu rutschen.

Dabei kam es zu mehrfachen Berührungen von Armen und Beinen, die jeder aber ohne Kommentar hinnahm. Derart verankert konnte man das Geschaukel ertragen, wenn auch das damit einhergehende Quietschen und Stöhnen der Struktur beängstigend war.

„Ich bin ja nur froh, dass wir in der Schweiz sind“, sagte Benedict, „die Seilbahn dürfte zumindest gut gewartet sein und gut gebaut. Machen sie ja schon lange genug!“

Das Schneetreiben war inzwischen so dicht, dass sie weder die Gondel vor noch hinter sich sehen konnten.

Ein Glück aber, dass sie nicht neben einem Pfeiler zum Stehen gekommen waren, sie hörten das Scheppern einer anderen Gondel, die gegen etwas knallte.

Alle drei zückten gleichzeitig ihr Telefon, nur um sich gleich darauf kopfschüttelnd anzusehen: kein Netz.

Sie versuchten zu erkennen, wie hoch sie über dem Boden waren, zwischen zwei Schneeböen, aber es sah auf jeden Fall zu hoch aus, um zu springen oder sich abzuseilen. Ganz abgesehen davon, dass es kein Seil gab!

 

„Dann können wir nur hoffen, dass es irgendwann weitergeht“, sagte Erik, „die Nacht könnte echt ungemütlich werden! Ist dir kalt?“, fragte er Kim.

„Alles gut“, sagte sie, „den Anzug habe ich vor zwei Jahren für eine Reise nach Sibirien gekauft, wir waren Motorschlitten fahren auf einer Datscha bei Novosibirsk. Der hält bis minus 30 Grad!“

Die beiden schauten sie bewundernd an, fragten abwechselnd nach, jeder erzählte ein wenig, man lernte sich kennen, eine etwas bessere Stimmung entstand, trotz des Pfeifens und Schaukelns.

Sie hatten ihre Helme abgenommen, und Kim sah von einem zum anderen. Erik war etwa so alt wie sie, um die dreißig, Benedict vielleicht zehn Jahre älter.

Er hatte einen ganz leichten französischen Akzent, während Erik wohl ein local boy war, aber mit gutem Hochdeutsch, von der Arbeit, tippte sie.

„Wenn du in Sibirien zurechtkamst, hast du wahrscheinlich auch hier eine clevere Idee?“, sagte er mit einem kleinen Lächeln, „mir wird nämlich jetzt schon kalt!“

Darauf zog Benedict, ohne zu zögern, einen silbernen Flachmann aus einer Brusttasche des Anoraks, und sie nahmen alle einen kleinen Schluck – sehr guter Kirsch.

Dabei sahen die Männer sich abschätzend an, ein kleiner Wettkampf lag in der Luft, und Kim empfand die Aufmerksamkeit als eine wohltuende, warme Welle.

 

Nun schauten sie sich die Gondel näher an. Es gab natürlich keine Verbindung zur Talstation. Nach einigen Versuchen fand Erik aber einen Weg, die Schiebetür zu entriegeln. Vorsichtig schob er sie auf, und sie blickten nach unten, während Benedict sich in die hinterste Ecke klammerte und der Wind mit voller Wucht in die Kabine blies. Erik schob sie schnell wieder zu, nachdem Kim und er erkannt hatten, dass es zum schneebedeckten Boden mindestens zehn Meter waren, ein Sprung war ausgeschlossen.

Erik rückte etwas näher an sie heran, sie spürte seinen Oberschenkel und konnte sein Parfum riechen – gut, vielleicht Hermès?

Sie fand es jedenfalls nicht unangenehm, vielleicht wärmte man sich so gegenseitig.

Benedict schien sich eher an etwas festhalten zu wollen, er rückte etwas nach vorne und legte seine Hände auf Kims Knie, wie um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

„Erzähl ein wenig von dir“, sagte er, in ihre Augen schauend, „was machst du, wo bist du her, wo lebst du, und mit wem?“

„Oh, Monsieur Benedict“, antwortete sie belustigt, „Sie wollen aber viele Dinge wissen! Nun, ich bin in der Schweiz groß geworden, und im Winter kam ich mit meinen Eltern hierher, wir hatten ein Haus über dem Suvretta Hotel. Jetzt lebe ich in Frankfurt, wo ich in einer Werbeagentur arbeite.“

„Und jetzt ein paar Tage in den Bergen, um kreative Energie zu tanken? Alleine, weil dein Freund wahrscheinlich Banker ist und gar keine Zeit hat für dich, neben der Arbeit?“

Erik bewegte sich neben ihr, drückte sein Bein ein wenig stärker gegen ihres.

„Ich glaube, dass Kim ganz gerne Dinge alleine unternimmt, stimmt’s? War der Kerl in Sibirien dabei? Nein? Dachte ich mir. So ein Dummkopf!“

Jetzt musste Kim laut lachen, schaute erst Erik, dann Benedict belustigt an:

„Nicht schlecht, ihr zwei, fast alles richtig geraten! Ich bin mir tatsächlich nicht sicher, ob mein Banker der Richtige für mich ist, und genieße schon immer meine Freiheit und Unabhängigkeit. Und hier oben ist schon die Luft so, dass man klarer im Kopf wird!

Außer man ist mit zwei Unbekannten in einer winzigen Kugel eingesperrt! Könnten die Herren auch ein wenig von sich preisgeben? Monsieur? Nun?“

Ein weiterer, noch stärkerer Windstoß brachte die Gondel fast in die Horizontale, Benedict schrie auf. Kims und Eriks Kopf wurden zusammengedrückt, und da sie sich gerade anschauten, ergab sich eine Art Kuss, wenn auch ein etwas schmerzhafter.

Erik legte aber, wie um sich festzuhalten, seine Hand hinter ihren Hals, zog sie zu sich und küsste sie weiter. Das und Benedicts Hände, die sich sachte auf der Innenseite ihrer Schenkel hinaufbewegten, erzeugten ein wahres Neuronenfeuer in Kims Kopf, sie ergab sich ihm und genoss einfach den Moment. Der andauerte, anschwoll, immer intensiver wurde, bis sie tatsächlich mit einem kleinen Schrei, nun ja, kam.

 

Die Welt stoppte für einen Augenblick, es wurde still, nichts schaukelte, nichts pfiff. Die drei verharrten ebenfalls unbewegt, Benedict zog ganz vorsichtig seine Hände zurück, bis sie wieder auf Kims Knien lagen. Erik hielt weiterhin Kims Hals von hinten und ließ seine Stirn an ihrem Kopf ruhen. Sie atmeten still, die Augen geschlossen. Ein kleines Wunder.

Aber wie ein geworfener Stein Wellen im See erzeugt, die bis zum Ufer kommen, schien das Feuerwerk an Energie aus der Gondel hinauszusprühen, an den Kabeln entlang, bis zu beiden Enden.

Die Gondel setzte sich in Bewegung.

Kim öffnete die Augen, gab Erik einen Kuss auf die Wange und danach auch Benedict.

Sie lachte, erst verhalten, dann laut, natürlich, voller Freude und scheinbar ohne Beschämung, bis sich auch auf den Gesichtern der Männer ein Grinsen einstellte.

Jeder lehnte sich zurück, sie schauten sich an, und Kim sagte endlich:

„Das werde ich euch nie vergessen! Ihr seid … wundervoll! Danke!“

Jetzt machte sich eine Ausgelassenheit breit, alle lachten, die Männer bemerkten abwechselnd etwas über den Start der Bahn, über den nachlassenden Wind, über die bessere Sicht.

Kim war nun doch ein wenig verschämt, sie schien in sich zu blicken, sich selbst erklären zu wollen, wie so etwas denn passieren konnte, die Situation, die Anspannung, ihr Bedürfnis.

Da sagte Benedict leise, aber bestimmt: „Wir werden das ganz genau so handhaben, wie DU willst, Kim. Es ist nie passiert, und jeder geht seiner Wege. Oder ich darf euch nach der nächsten Abfahrt zum Mittagessen einladen, ich fände sogar ein Glas Champagner angebracht. Kim entscheidet – nicht wahr, Erik?“

„Natürlich“, antwortete dieser, blickte Kim dabei aber sehnsüchtig an.

Kim schaute vom einen zum anderen, ihr schönstes Lächeln erschien, und sie sagte:

„Jeder seiner Wege? No, no, no! Der Champagner ist genau richtig, wobei ich diejenige bin, die einladen sollte, oder? Wir haben aber auch unsere Rettung zu feiern und werden die Bläschen als Guides für unsere weiteren Wege nehmen, einverstanden?

Was ist das Geheimnis wahrer Liebe?

Sind Sie verliebt und bangen, ob die Liebe hält? Oder haben Sie vielleicht schon eine Scheidung hinter sich? Liebe ist eine große Sache. Frauen wie Männer investieren ihr Bestes, wollen dem Partner oder der Partnerin alles von sich geben. Nicht umsonst sprechen wir in diesem Zusammenhang von „Hingabe“. Liebe geht wirklich ans Eingemachte. Und doch lassen sich momentan vier von zehn Ehen scheiden – meistens nach rund 15 Jahren. Kein Wunder also, wenn man dem „Abenteuer Ehe“ mit Skepsis begegnet.

Was ist also das Geheimnis wahrer Liebe? Wie gelingt diese Zweierexpedition und wird keine Lebensabschnittspartnerschaft? Dazu muss man verstehen, dass in der Liebe zwei Kräfte um die Vorherrschaft kämpfen: EROS und AMOR. Eros zerwühlt, zerstört, verzaubert, knetet unsere Herzen durch. Er macht uns wild und verlangend. Amor schafft Vertrauen, Freundschaft, Zweisamkeit. Er befriedet unsere Herzen und lässt uns in den Armen des anderen zuversichtlich schlummern.

Allzu oft sind unsere Beziehungen entweder von Eros oder aber Amor dominiert. Dann funktionieren sie langfristig nicht zu wahrer Glückseligkeit. Es geht also darum, die Leidenschaft zu erhalten, ja zu pflegen, ihr aber nicht den Vorrang vor den feineren seelischen Regungen zu geben – damit aus Frühlingsgefühlen keine Herbststürme werden. Erst, wenn wir es mit viel Geduld schaffen, die fragile Balance aus Eros und Amor behutsam zu liebkosen und zu respektieren … dann kann daraus wahre Liebe entspringen. Da es sehr, sehr selten passiert, dass Eros‘ und Amors Pfeile uns gleichzeitig treffen, ist es ein WUNDERWERK, seine große LIEBE im LEBEN zu finden. Doch Wunder passieren. Einer der letzten Sätze aus meinem letzten Roman „Eros‘ Erdbeben“ bringt auf den Punkt, worum es in einer gelungenen Beziehung geht: „Langsam stirbt, wer Sklave der Gewohnheit wird, indem er jeden Tag die gleichen Wege geht …“ Die neuen Fälle der „Liebesdetektivin“ wissen davon ein Lied zu singen.

Also was spontanen, ungeschützten Sex angeht, so gehöre ich zu der Generation, die da so richtig die Arschkarte gezogen hatte. Ich spreche natürlich von Aids, das vom „Center for Disease Control (CDC)“ am 1. Dezember 1981 als eigenständige Krankheit erkannt wurde. Fuck! Da war ich 15 und durchaus willens, aber noch nicht in der sozialen Position, zu einem reichhaltig-abwechslungsreichen Sexualleben. Um ganz offen zu sein: Zu mehr als Zungenküssen und ein bisserl Petting reichte es damals nicht. Bis sich das dann so nach und nach änderte, änderte sich auch einiges in Sachen Aids: Erste Prominente starben daran, die Presse beschrieb immer schriller, wie sehr die Seuche nun auch ins Mainstreammilieu der Heterosexuellen hineingeschwappt sei und dergleichen mehr.

Aids: Was macht das mit dir?

Mitte der achtziger Jahre war es endlich so weit: Die Pickel der Pubertät waren verheilt, die schlimmsten Auswirkungen der ersten Verkopfung (Sie: Wollen wir mal wieder ausgehen? Ich: Wovon?) waren überstanden, das erste Auto stand bereit und da draußen lockte eine Welt voll von attraktiven Frauen, die es kennenzulernen galt. Und natürlich gerne mehr als kennenlernen, gerne Sex, gerne im Sechserpack, möglichst viel davon. Jaja, die Hormone halt und vor allem dieses überschäumende Testosteron. Blöd, wenn dann nächtens, wenn die Tore deines weiblichen Gegenübers weit offenzustehen scheinen, dein innerer Zensor auf den Plan tritt: „Hast du Kondome dabei?“, grollt er und „Nein, hast du nicht. Warum nicht?“ „Vielleicht, weil ich einfach nur tanzen gegangen bin und …“ wage ich zu antworten und werde eingeschüchtert: „Wenn du jetzt mit dieser Frau schläfst, dann kann das dein Todesurteil sein“, stellt der Zensor grimmig und mit einer gewissen Zufriedenheit fest. Und in der Realität gingen damals allzu oft Tore, die gerade noch offen schienen, ganz schnell wieder zu. Das ging uns nahezu allen so, ob Mann oder Frau.

Plastiktüte überm Kopf

Und natürlich war ich nicht der Einzige, der versuchte, das mit den Präsern zu beherzigen. Wie viele Sorten habe ich ausprobiert? Mehr als zehn, schätze ich und das Ergebnis war bei jeder Variante das Gleiche: Ziehe ich meinem besten Stück eine Gummi-Tüte über den Kopf, dann gruselt „Er“ sich. Warum? Keine Ahnung? Vielleicht „sieht“ Er nichts mehr oder die Hautatmung wird unterbrochen oder was weiß ich. Ich will hier nicht zu sehr ins Detail gehen, aber Fakt war und ist, dass Er das nicht abkann und in 90 Prozent der Versuche mit einer Erektionsstörung reagierte und in den restlichen zehn Prozent schlicht nicht kam. Verstehen kann ich das; wenn mir jemand vor dem Sex eine Plastiktüte über den Kopf zöge, wäre ich auch unlustig.

Shit happens

Also bin ich ins Risiko gegangen. Scheiß auf den Zensor, man lebt nur einmal, „live fast, die young“ und so. Bis dann mal eine Dame dabei war, von der ich erst später erfuhr, dass sie Heroin spritzt. Und da hatte mich der Zensor wieder an den Eiern. „Du musst dich testen lassen!“ plärrte er tagaus, tagein. Bei einem Kaffee mit einer Journalistenkollegin erzählte ich ihr von meinem Dilemma und oha! Anstatt mich für meine Unvorsichtigkeit zu maßregeln (was heute im Sinne der unsäglichen „political correctness“ wohl unvermeidlich gewesen wäre), offenbarte sie mir, dass es ihr ganz ähnlich ging. Auch eine Nacht mit einem dubiosen Mann, willkommen! In der Paranoia-Zelle ist es zu zweit doch gleich viel kuschliger. Was soll ich sagen? Wir sprachen häufiger darüber und irgendwann, beschlossen wir, zum Test zu gehen.

Positiv: Aids-Test negativ

Der „Test“ war damals noch verbindlich im Gesundheitsamt und ich weiß heute noch, wie strange das auf den Wartebänken vor dem Untersuchungszimmer war. Jeder beäugte jeden. Junkie? Stricher? Homo? Die Augen der Wartenden flitzten suchend hin und her. Sedativa für die Augen in Form von Smartphones gab es ja damals noch nicht.

Eine Woche später – ja, so lange dauerte das damals, bis man die Wahrheit erfuhr, waren meine Kollegin und ich dann wieder vor Ort. Erst sie, dann ich – beide HIV-negativ. Das fanden wir positiv. Boah, waren wir erleichtert! Wir kauften an der Tanke eine Flasche Sekt und gingen zu mir – ich wohnte nicht weit weg vom Gesundheitsamt. Gläser klirrten, später schwirrten – Pheromone durch die Luft. Wir schliefen miteinander, es konnte ja nichts Schlimmes passieren. Es blieb bei diesem einen Mal. Und wir sind heute noch gut befreundet.

 

 

Kennt ihr das? Du befindest dich mit deinem Partner in der Öffentlichkeit, mehr oder weniger verstohlen tauscht ihr Zärtlichkeiten aus. Mal ein Kuss, mal eine Berührung hier und mal ein wenig tiefer. Die Erregung wächst in euch. Und irgendwann gelangt ihr an einen Punkt, an dem die Lust so groß wird, dass ihr es am liebsten gleich tun wollt, jetzt, hier und auf der Stelle! Im „echten Leben“ geschieht das aber in der Regel nicht. Ihr schaut euch in die Augen, zahlt womöglich eure Rechnung und geht zu einem von euch nach Hause. Meine Erfahrung dazu: Bis man Zuhause angekommen, ist der magische Moment verflogen und was dann folgt, ist im Vergleich zu dem, was hätte sein können, nur schale Hausmannskost.

Freiluft-Sex – ein dehnbarer Begriff

Ein paarmal in meinem Leben war es allerdings anders und im Rückblick muss ich sagen, dass ich das mitnichten bereue. Und ich bin damit nicht allein: Umfragen zufolge hatten immerhin 60 Prozent der Menschen in Deutschland bereits Sex im Freien. Wobei im Freien ja ein dehnbarer Begriff ist: Wer sich auf der von einer meterhohen Sichtschutzhecke umgebenen Wiese des heimischen Gartenhauses verlustiert, mag ja durchaus seinen Spaß haben. Von Thrill kann hierbei aber keine Rede sein. Im Wald schaut das etwas anders aus, zumal dort auch die Außenbedingungen etwas widriger sind. Ich erinnere mich noch gut an eine laue Nacht am polnischen Ostseestrand, wo ich und eine dunkelhaarige Schönheit nach langem Vorspiel auf der Außenterrasse einer Diskothek schließlich beschlossen, den Schatten des naheliegenden Waldes aufzusuchen um „es“ zu tun. Dumm nur, dass wir nicht die einzigen waren, die auf diese Gelegenheit gewartet hatten: Kaum hatten wir uns unserer Kleidung entledigt, fiel eine mächtige Streitmacht von Stechmücken derart brutal über uns her, dass wir uns panisch wieder ankleideten und zurück an den Strand flohen.

No Risk, no Fun

Deutlich riskanter im polizeilichen Sinne waren zwei Erlebnisse, die ich in meiner Heimatdtadt Würzburg mit einer damals sehr reizvollen, üppigen Blondine hatte – mit der ich jedoch nie „regulär“ zusammen war. Vielmehr war das ein klassisches Beispiel für „occasional sex“: Die sexuelle Anziehung zwischen uns war so stark, dass wir bei zufälligen Begegnungen immer wieder übereinander herfielen. Da war zum Beispiel diese Nacht in Grombühl, wo ich sie eigentlich nach einem Grillabend heimfahren wollte. Dann Gefummel im Auto – alles so eng hier – und letztlich vollzogen wir das Liebesspiel an und auf dem Kofferraum. Doch weder Passanten noch die Polizei kamen vorbei – Glück gehabt! Eine enge Kiste im wahrsten Sinne des Wortes war eine andere Nacht mit ihr im Caveau, einer damals legendären Studentendisko. Gut wir saßen zunächst auf einer relativ weit in der Ecke gelegenen Bank des allerdings eher kleinen Clubs. Und wieder überrollte uns die Lust dermaßen, dass wir buchstäblich zu Boden gingen und unter dieser Bank taten, was getan werden musste. DAS war Thrill, denn im Raum waren locker 200 Leute, doch Puh! Auch diesmal kamen wir ohne Augenzeugen davon. Besser war das, denn in unserem jugendlichen Leichtsinn, Lustsinn wäre wohl der treffendere Begriff, machten wir uns gar nicht klar, dass unser Tun nach § 183a eine Erregung öffentlichen Ärgernisses darstellte, Zitat: „Wer öffentlich sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“

Origien sind keinesfalls eine moderne Phantasie. In der Renaissancezeit nannten Spötter Rom den „Schwanz der Welt“. Mehr Prostituierte gab es nirgendwo. Papst Alexander VI. aus dem berüchtigten Geschlecht der Borgia veranstaltete (vermutlich) die reinsten Sexorgien. Und ein paar Jahrhunderte zuvor trieb es Johannes XII im Petersdom so wild, dass er wegen Unwürdigkeit gestürzt wurde. Dass unsere Altvorderen der Lust an der Lust weit mehr frönten als unsereins, der vor lauter Terminen gar keine Zeit für eine ausschweifende Orgie hätte, ist ein offenes Geheimnis. Hier wird es sinnlich und informativ beschrieben:

„Guys we fucked“ nennen die beiden Amerikanerinnen Krystyna Hutchinson und Corinne Fisher ihren Podcast. Das will und soll provozieren, denn schließlich drehen die beiden den Geschlechter-Spieß herum. Daran werden auf einmal keine Mädels über dem Feuer männlicher Lust geröstet, sondern umgekehrt, die Guys werden „verheizt“. Doch es steckt weit mehr hinter dem krassen Titel, wie sein ergänzender Slogan „The Anti-Slut-Shaming Podcast“ klarstellt: ein neuer weiblicher Emanzipationsschritt – die Ankündigung, dass frau die Schlampen-Etikettierung („Slut“) nicht mehr hinnehmen mag; dass frau sich nicht mehr dafür schämen muss, wenn sie ganz einfach auch mal Lust auf die Lust hat.

Seien wir doch mal ehrlich: Mädels, die es wild treiben und sich Jungs „nur so zum Spaß“ schnappen, sind in bürgerlichen Kreisen alles andere als gesellschaftsfähig. Dort sähe man die Schwiegertochter doch eher noch züchtig, während man dem eigenen Sohn den Parcours durch die Betten als „Vorbereitung aufs Leben“ durchgehen lässt. Der eigene Sohn „gefickt“? Undenkbar.

Dass Hutchinson und Fisher den Nerv vieler junger Frauen in den USA getroffen haben, belegt die Zahl ihrer Abonnentinnen: über eine halbe Million. Es ist anzunehmen bzw. zu hoffen, dass sich auch junge deutsche Frauen nicht mehr mit dem Bild des „züchtigen (und vielleicht sogar nicht mehr ganz so jungen) Mädchens“ identifizieren, ohne deswegen gleich ins Vamp-Lager überwechseln zu müssen. Vielleicht darf Spaß am Sex auch für Frauen ganz normal sein.

Den Original-Podcast findet ihr unter https://soundcloud.com/guyswefucked.

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