Die Handwerkerin in mir weiß: Klammern brauche ich immer, damit etwas nicht auseinanderfällt. Oder damit ich ihm eine Form geben kann, die es normalerweise nicht hat. Haarklammern zum Beispiel. Oder die Klammern, die ich mit einem Tacker in die Plastikplane schieße, damit sie am Holz hält.

Wenn ich jetzt mal das Gerät zum Vergleich nutze, dann bin ich das Holz, mein Mann die Plane und der Standesbeamte der Tacker. Bis dass der Tod – bzw. die Verrottung des Holzes – uns scheide. Braucht es die Ehe? Die politische Gebetsmühle sagt: Ja, sie ist staatserhaltend. Hm, deswegen soll ich heiraten?

Ich will nicht abschweifen und zur Klammer zurückkommen. Zum Klammern genau gesagt. Wenn ich gemischtgeschlechtlich unterwegs bin, fällt nicht selten das Wort, dass wir Frauen klammern und die armen Männer bewegungseingeschränkt sind. Stimmt schon irgendwie: Der Schnelllauf in fremde Betten wird durchs Klammern erheblich gestört. Aber warum klammere ich? Ich brauche den Typen doch gar nicht, und mein Junge ist aus dem Gröbsten raus. Wenn ich beim Abendessen sage: „Ist es okay, wenn ich heute Abend mal länger unterwegs bin? Brauchst du mich?“, schaut er mich an wie ein Psychiater einen Geisteskranken. Im besten Fall hat er Mitleid mit mir, dass ich immer noch nicht kapiert habe, wie groß er schon ist. Ich sage ihm natürlich nicht (und manchmal gesteh ich’s nicht mal mir selbst ein), dass ich mit seinem Vater nur ausgehe, weil auf der Party ein paar gefährliche Frauen unterwegs sein werden. Wenn ich auch da bin, gibt es keinen „Ausrutscher“.

Ist das Klammern? Vielleicht. Aber warum tue ich das? Klar: Damit er mir nicht abhandenkommt. Ich würde ihn vermissen und all das, was bei uns gut klappt. Die Vertrautheit, die Normalität, die sich ergeben hat und mit der wir beide einverstanden sind. Er ist ein Partner und ein Vater. Er kann beides. Das ist schön. Wenn „Bett“ stattfindet, könnte er langsamer zur Sache kommen, aber so sind sie nun mal: im Zweifelsfall leicht zu erregen. Ist ja auch irgendwie schön, dass es – manchmal – noch klappt. Aber er ist mit seinen paarundfünfzig Jahren bei anderen Frauen ein bisschen wie ein Junge. Würde ich nicht auf ihn aufpassen, würde er sich in wer weiß was verstricken und aus der Falle nicht mehr rauskommen. Die anderen sind ja auch nicht doof. Mein Klammern ist also eher eine Art Schutzengelfunktion. Anders als die mechanischen Klammern sorgt es dafür, dass zusammenbleibt, was zusammengehört.

Als ich den folgenden Text zum ersten Mal las, konnte ich kaum glauben, dass das, was da stand, ein elementarer Teil unserer Kultur ist. Dieser mich sehr bewegende, unfassbar radikale Text stammt aus der Bibel, 1 Korinther 13, 1-8. Inzwischen gibt es viele Varianten, hier eine davon, die mir besonders gut gefällt. Es sollte eine weite Verbreitung finden. Hier sorge ich schon mal ein bisschen dafür:

Das Hohelied der Liebe

Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke.

Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts.

Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte, und wenn ich meinen Leib dem Feuer übergäbe, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts.

Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit.

Sie erträgt alles, sie glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf. Prophetisches Reden hat ein Ende, Zungenrede verstummt, Erkenntnis vergeht. Denn Stückwerk ist unser Erkennen, Stückwerk unser prophetisches Reden; wenn aber das Vollendete kommt, vergeht alles Stückwerk.

Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind und urteilte wie ein Kind; als ich aber Mann wurde, legte ich ab, was kindisch an mir war.

Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie auch ich durch und durch erkannt worden bin.

Jetzt aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

Welch köstliches Wort: „lustwandeln“. Kann man sich so recht auf der Zunge zergehen lassen. L u s t w a n d e l n: Ein saftiges Wort, das nach Pfirsich und Honigmelone schmeckt. Dabei ist es eigentlich nur ein poetisches Wort für „spazieren gehen“. Und doch spürt man sofort: Da klingen andere, alte Inhalte durch: „Füllhorn“ zum Beispiel, „Stelldichein“ oder „Koketterie“. Nicht mehr ganz so harmlos, sehr viel konkreter als lustwandeln mutet mich da das „Lusthaus“ an, ein Gartenhaus, das unsere wohlbestallten Altvorderen auch gerne mal in einer lauschigen Maiennacht zu zweit besuchten, vielleicht nach einem Lustspiel von einem kecken Lüstchen angeweht. Aber vielleicht pflegten sie ja stattdessen in einem Lustwäldchen der frivolen Muße. Ach, wer weiß, ich kann wohl ihre Seufzer in der Brise hören.

Ja, die Sprache kann einen schon stimulieren. Worte wie „anmachen“ oder „anbaggern“ oder „angraben“ schaffen das nicht, jedenfalls nicht bei mir. Zwischen „Venushügel“ und „Fotze“ liegt ein Universum voll von Milchstraßen, die ganze Spannweite der deutschen Sprache von „Literatur“ bis „Gosse“. Aber wer weiß noch von ihren verrottenden Fäkalien und Aasfliegenschwärmen, ihrem Rattengefiep? So effektiv ist die moderne Hygiene, dass sie uns die Gosse übersehen lässt – gleichwohl sie noch vorhanden ist, nur eben nach innen genommen. Würden doch die Kehrschaufeln der Straßenkehrmaschinen auch den Wortmüll mit einsammeln.

Doch bliebe dann Zeit zum Lustwandeln? Ich habe meine Zweifel. In einem Hamsterrad fällt das einem doch eher schwer.

Liebe – da denken die meisten Menschen gleich an die Liebe zwischen Mann und Frau. Und vielen gilt sie als das Höchste. Doch es gibt weit mehr Lieben als diese eine Liebe.

Nehmen wir nur unser aller Liebes-Vorbild: die Elternliebe. Ja, ich sage bewusst Elternliebe statt Mutterliebe. Denn letztere ist ein weltanschaulich überhöhtes Ideal, das sich im Licht der Verhaltensforschung oder Anthropologie durchaus als Brutpflegeverhalten deuten lässt. Auch Väter können ihre Kinder lieben und vergöttern; wobei sich augenblicklich die Frage stellt, ob denn Letzteres, das Vergöttern, zu den liebenden Verhaltensweisen zählen darf oder nicht eher zu den Formen mühsam verholener Eitelkeit.

Aber darüber zu schreiben wäre eine andere Geschichte. Andere Formen der Liebe sind die Freundesliebe, die für mein Empfinden der Geschlechterliebe übergeordnet ist. Erfahrungsgemäß hält die Freundesliebe oft länger und bedarf keiner ununterbrochenen Bestätigung (ist also weniger von Misstrauen geprägt). Und: mein Freund ist mir nicht gram, wenn es noch einen zweiten oder gar dritten Gott neben ihm geben sollte. Er verlangt auch keine Leidenschaft (was ist das denn nun wieder?) von mir, auch keine Zärtlichkeit und keinen Sex. Oho!

Und wie steht es mit der Geschwisterliebe? Vermutlich lässt sie sich im dubiosen Feld der Mutterliebe verorten. Denn um wie steht es um die Geschwisterliebe, wenn wir nicht um den Verwandtschaftsgrad wissen, etwa, weil wir kurz nach der Geburt getrennt wurden? Oder wie kühlt sich ab, wenn wir erfahren, dass die Schwester gar nicht die „leibliche Schwester“ ist, sondern dem Samen eines Seitensprungs entsprang? Darf sie dann zur „lieblichen Schwester“ werden? Am Ende wurde sie adoptiert, enthält also gar keinen gemeinsamen Blutanteil?

Als guter Christ oder Buddhist muss man sich auch noch mit der Feindesliebe herumschlagen, die im einen Fall nicht von der Gottesliebe und im anderen Fall nicht von der uns innewohnenden Buddhanatur zu trennen ist. Man sieht, die Dinge komplizieren sich zusehends, zumal dann, wenn man die ketzerische Frage wagt, in welchem Verhältnis Gottesliebe und Buddhanatur zu einander stehen? Und ist die Liebe zu Natur, Tieren oder Kunst nur weitere Spielarte der Liebe oder ist sie eine Unterart der Gottesliebe?

Offenkundig gibt es nicht nur „die Liebe“, sondern viele Lieben. Wer Liebe überhöht, verkitscht sie nur und tut so, als ließe sie sich nicht erlernen oder vertiefen, als gäbe es also keine „Kunst der Liebe“; als müssten und sollten wir nicht ein Leben lang daran arbeiten, uns aus „Liebhabern“ in „Liebende“ zu verwandeln. Der Einfachkeit halber möchte ich mich deshalb der alltagstauglichen und provokant nüchternen Liebesdefinition des Berufsphilosophen Wilhelm Schmid anschließen: „Liebe ist eine Beziehung der Zuwendung und der Zuneigung von etwas oder jemandem zu etwas oder jemandem.“

Liebe auf den ersten Blick – soll es geben. Weit häufiger ist aber wohl die Liebe auf den 50. Blick, der uns dann endlich sagt: „Sie ist wirklich ‚super‘.“ Auch bei Frauen soll gelegentlich der Liebesblitz einschlagen, aber vermutlich erst beim 75. Blick. Frauen testen länger, ist meine Erfahrung. Und je mehr Erfahrung sie mit dem scheinbar starken Geschlecht haben, desto seltener sind sie zu einer Partnerschaft bereit; sie wollen sich nicht die Finger versengen lassen.

Lohnende Arbeit für die Partnerschaft

Aber irgendwann „schnackelt’s“ eben doch mal und der rosa Nebelwerfer gerät in Fahrt. Lichtet sich der Nebel, weil der Rosenmonat vorbei ist – oder die Rosenjahre –, bleibt meist doch noch genug Positives in der Partnerschaft, um an IHR oder IHM festzuhalten. Bevor uns aber gar nicht mehr einfällt, was wir an unserem Partner einstmals so bezaubernd fanden, sollten wir ein paar Kilojoule „Beziehungsarbeit“ investieren.

Natürlich muss man nicht so lange warten. Früher damit zu beginnen lohnt sich, weil man dann viel länger viel mehr voneinander hat. John Gottman, Professor für Psychologie an der University of Washington, schrieb schon vor Jahren ein Buch, das man als das „Grundlagenwerk der Beziehungsrettung“ bezeichnen könnte. Darin gibt er zu bedenken, dass man sich nur dann streitet, wenn noch eine innere Bindung vorhanden ist. Streit in einer Partnerschaft ist also nicht grundsätzlich negativ.

So funktioniert „guter Streit“ in der Partnerschaft

Doch mit 7 fundamentalen Tipps streiten Paare wirkungsvoller, solange sie noch einander wohlgesonnen sind:

  1. Macht in friedlichen Zeiten eine Art Streit-Vertrag miteinander. Legt ein paar einfache Regeln fest, die beiden einsichtig sind und die zu befolgen beide bereit sind. Schließlich sind es ja die eigenen Regeln. Vielleicht hilft der Gedanke, dass ein Disput nur dann Sinn ergibt, wenn man zu irgendeinem Ergebnis kommt. Ein Punkt sollte im Vertrag vorkommen: Was tun wir, wenn einer von uns das Gefühl hat, der Streit ist zwecklos?
  2. Installiert ein Signal oder Wort – zum Beispiel „Stop!“ –, das eine sofortige Streitpause erzwingt. Dann geht man ohne weiteren Disput auch räumlich eine Weile auseinander, bis sich die Gemüter abgekühlt haben. Mit einem Streitstop-Signal lässt sich mancher schöne Abend oder sogar Urlaub retten. Ein Stop ist aber nur dann sinnvoll, wenn das Thema weitergeführt wird. Dafür sollte es nach dem Stop einen neuen Termin geben.
  3. Überlegt euch, womit sich jeder am besten abregt. Der eine mag vielleicht meditieren, der andere macht Liegestützen.
  4. Überlegt, was der tiefere Grund hinter der Kleinigkeit ist, weshalb ihr euch in die Haare kriegt. Was ist euch so wichtig, dass ihr ein Kinkerlitzchen zum Anlass nehmt, dem anderen an den Hals zu fahren. Sprecht über dieses Wichtige und nicht über die „Zahnpastatube“.
  5. Wenn ihr neu in den Ring steigt, idealerweise auch schon zum ersten Mal, vereinbart einen Zeitraum, an dem ihr das Thema (vorerst) beendet. 20 Minuten sind eine gute Zeit. Stellt den Wecker.
  6. Überlegt euch, was auf dem Spiel steht, falls euer Streit schlimm endet. Wollt ihr diesen Verlust wirklich riskieren?
  7. Bemüht euch vor dem Gespräch um ein möglichst gutes Klima. Dazu gehört auch die eigene Wachheit. Vorsicht mit Alkohol!

Buchempfehlung: John M Gottman, Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe (antiquarisch erhältlich)

Weitere Tipps: http://www.ev-kirche-dortmund.de/uploads/media/tipps_streitpaare.pdf

Es gibt ja gemeine Witze über Frauen, die in der Hochzeitsnacht die Perücke ablegen, das Gebiss, den Hüftgurt und den Push-up-BH. Doch steckt dahinter nicht diese peinliche Wahrheit: Wir tendieren dazu, uns schöner zu machen als wir sind? „Ich muss mich noch herrichten“, heißt das zum Beispiel. Besonders wenn’s auf Männerfang geht, wird noch die letzte Falte ausgebügelt, jedenfalls bei uns Frauen über 30.

Make-up kann uns aufpolieren – und so manches kaschieren, was das Erscheinungsbild stört. Die eine oder andere Hautunreinheit mag da noch angehen; die würde eines Tages ja vielleicht auch von alleine verschwinden, aber wie, wenn rassige, hohe Wangenknochen im Party-Make-up vorgetäuscht werden oder wenn künstliche Wimpern einen falschen Augenaufschlag erzeugen? Ist mit solchen Tricks nicht schon kurzfristig Enttäuschung programmiert? Und nach welchem Vorbild richten wir uns da eigentlich? Und welche Männer sind unsere Zielgruppe?

Ganz gewiss stimmt, dass Hormone, erst einmal in Wallung gebracht, wirkungsvoller sind als jedes Make-up oder jeder Push-up. Männer in Brunft lassen einem so  ziemlich alles durchgehen – weshalb es zu den Tricks unseres Geschlechts gehört, ihre dauerhafte Abkühlung tunlichst zu vermeiden. Durch die rosa Brille verzeihen aber auch wir dem anderen so ziemlich jeden Makel – das ist der kosmetische Dominoeffekt des Schlafzimmers.

Unter dieser Prämisse sei mal das Gedankenspiel erlaubt, ob es nicht sinnvoller wäre, ohne Kosmetik zu leben. Oder sich gezielt unattraktiv „herzurichten“? Oder wenigstens doch so normal oder banal, wie man eben aussieht. Wieso? Nun, weil dann alle die, die sich eines Tages voraussichtlich enttäuscht von mir abwenden werden, von vornherein durchs Raster fallen. Dann bezirze ich doch lieber all jene, die spontan auf mich anspringen und meine kleinen Brüste, mein Lächeln, meinen rundlichen Gesichtsschnitt und meine blassblauen Augen ohne alle Tricks attraktiv finden.

Was nun nicht heißt, dass es bei einer solchen Vorgehensweise verboten wäre, sich gründlich zu waschen, die Zähne zu putzen oder etwas Hübsches anzuziehen – solange all das keinen falschen Schein erzeugt.

Merken

Liebe zwischen den Geschlechtern ist ein Glaubenssatz, eine mentale Infusion. Nur weil sie uns von früher Kindheit an via Illustrierten, Filmen und Romanen eingetrichtert wurde und wird, muss dieser Mythos noch lange nicht wahr sein. Oder doch?

Ich weiß: Jetzt ernte ich nicht nur Kopfschütteln, sondern Vermutungen über meinen Geistes- bzw. Seelenzustand. Ich kann euch versichern: Ich bin durchaus bei Troste. Und ich bin seit 1979 verheiratet, mehr oder weniger glücklich (was auch immer das heißen mag). Oder ist das eher ein Hinweis, dass ich doch gestört bin?

Spaß beiseite: Wie kann man nur an der Wahrheit der „Liebe zwischen den Geschlechtern“ zweifeln? Nun, es hat im Jahr 1600, als die Hexenverbrennungen ihren Höhepunkt hatten, auch Menschen gegeben, die an der Existenz von Hexen gezweifelt haben. So viel zum gesamtgesellschaftlichen Konsens von Wahrheiten.

Was nährt also meinen Zweifel an der „Liebe zwischen den Geschlechtern“? Zum einen ganz banale Einsichten: So gut wie jeder glaubt zwischen seinem 14. und 30. Lebensjahr, die oder den RICHTIGEN gefunden zu haben, den EINZIGEN oder die EINZIGE, AUSERWÄHLTE. Je weniger Erfahrung wir haben, desto leichter bilden wir uns das ein. Und je unerfahrener, gieriger bzw. ausgedürsteter wir sexuell sind. Es ist so, als hätte die Evolution eine Art Bratpfanne aufs Feuer unserer Hormone gestellt, und je nachdem, ob wir mehr auf Hausmannskost, chinesische Küche oder Steak getrimmt wurden, steigt uns der verführerische Duft einer appetitlichen Geschlechtsmahlzeit in die Psycho-Nase. Noch nie, meinen wir, hätten wir so etwas Köstliches auf dem Teller gehabt wie IHN oder SIE; das muss sie sein, endlich – die große Liebe.

Pardon für den banalen Bratpfannen-Vergleich. Ich will damit nicht all jene hohen Gefühle verunglimpfen, die bei menschlichen Geschlechtsritualen im Spiel sind. Der Vergleich kam mir vielleicht, weil ja gerade jetzt die Geschlechter wieder ihre Reize und Körpersignale aufs Köstlichste auspacken. Das Ergebnis ist vorherseh- und -sagbar: neue Liebesbeziehungen, neue Affären, neue Seitensprünge, neue Kinder, neue Hoffnungen, neue Enttäuschungen, neue Seelenqualen. Und auch: viele vorgetäuschte Orgasmen.

Bei genauer Betrachtung glaubt freilich kaum jemand, dass es nur die oder den einen gibt. 99 Prozent aller Liebeskummer-Fälle lösen sich von alleine auf, indem ihre Ursache durch eine gleichwertige Alternative gelöscht oder wenigstens ausbalanciert wird. Was war also dann die große Liebe? Die Beziehung davor oder die danach? Und nicht ganz zufällig sinkt die Rate spontaner Verliebtheiten mit wachsender Geschlechtererfahrung. 80-Jährige verlieben sich nicht deswegen weniger, weil sie es nicht mehr könnten, sondern weil sie ganz einfach sehr viel mehr um den Trug wissen, der in der Luft liegt, wenn die Hormone mal wieder auf die Hirnanhangdrüse durchgreifen.

Was alles nicht heißen soll, Liebe machte keinen Spaß. Ja doch, tut sie.

[Foto: pixabay_miapowterr]

Antwort einer Frau zu „Seufzen verboten“ von Bobby Langer

Um es gleich vorwegzunehmen:

  1. Das „Göttinnen-Gefühl“ kenne ich auch – einerseits in Bezug auf mich und mein Frausein, andererseits als „universelles Gefühl der Liebe“ (worum es aber in diesem Blog nicht oder nur am Rande geht, insoweit eine Thematik aus dem Komplex „Mann-Frau“ in dieses weiterreichende Gebiet hineinragt).
  2. Ja, lieber Mann, Du darfst! (Und darauf gehe ich hier ein; es juckte mich quasi sofort nach dem Lesen in meinen Fingern bzw. regten sich meine Hirn- und Herzzellen, ob jetzt YIN oder YANG, weiblich, männlich oder irgendwas dazwischen!)

Das NEIN, lieber Bobby, beantwortest Du, wie mir scheint, ja bereits durch einige Deiner Fragen. Denn wäre es wünschenswert – im Sinne von LEBEN –, dass ein Mann (der ja in erster Linie erst mal ein Mensch ist) seine Leidenschaft und Fantasie beschränkt, den Schmetterling in seiner Seele (welch schönes Bild!) totschlägt? Das kann ich nur mit einem großen NEIN beantworten. Als Mensch muss ich dies so beantworten. Und so ergibt sich für mich der nächste Schritt: Wie der Mann also damit umgeht, wenn er seine Faszination ausdrückt. Wie reagiert er auf seine Umgebung, wenn sie ihn tatsächlich belächelt? Ist er sich denn selbst seiner ureigenen Männlichkeit bewusst? (Wer sagt überhaupt, dass Schwärmerei für das Schöne, das Göttliche nicht zu Männlichkeit passt? Gab es nicht z.B. die Minnesänger? Was ist mit Autoren wie Garcia Marquez oder Figuren wie Don Juan? Denen wird wohl niemand ihre Männlichkeit abgesprochen haben oder heute absprechen, obwohl sie das Weibliche besungen und hochgehalten haben! Aber sogar, wenn Mann kein offensichtlicher Macho ist, ist er dann unmännlich? Sind wir immer noch nicht so weit, dass jeder Mensch seine eigene Definition für sich selbst finden darf? Ob Mann, Frau oder irgendeine Zwischenform? Gibt es diese statisch anmutende Einsortierung überhaupt? Gab es sie je? Ja, ja, ich weiß: gesellschaftliche Normen und Moden … Aber auch diese wechselten immer wieder. Wie sieht es heute damit aus?)

Obige Fragen wird sich der Mann wohl selbst beantworten müssen, wobei der Austausch auch mit „den“ Frauen dazu beitragen kann und von ihnen bestimmt wird.
Wie sieht es mit Bobby Langers Vermutung aus, dass SIE ihn nicht ernst nähme, wenn er von (und vor) ihr schwärmte? Oder sich gar angemacht fühlte? – Meine Entgegnungen darauf: Achtsamkeit und Mut. Aber eine Garantie gibt es natürlich auch dann nicht, dass eine Offenbarung gegenüber der Erwählten auf die Resonanz stößt, die Mann sich wünscht. Klar. Dafür sind wir – ob Frau oder Mann – zu verschieden, einzigartig jeweils.
Ist es ein Drama für den Mann, wenn Frau sich nicht angesprochen, vielleicht sogar belästigt fühlt? Kann Mann die Reaktion nicht einfach bei der Frau lassen? Wenn sie es nicht annehmen kann, hat es da überhaupt einen Sinn, ihr das Innere (des Mannes) zu zeigen? Welchen?
Und was ist, wenn Mann sich das offene Schwärmen versagt – und so die Chance vertut, mit der Angebeteten in Kontakt (sei es für ein Lächeln, sei es für eine Nacht oder gar länger) zu kommen?

Mir scheint, den Mut aufzubringen, sich selbst auszudrücken in seiner Einzigartigkeit, berührt hier tiefe, allgemein menschliche Bedürfnisse nach Gesehenwerden, nach Angenommenwerden, nach Geliebtwerden …

Was ist nun, wenn Mann sich traute (Fragestellung zwei von Bobby Langer)? Der Blitz trifft ihn beim Anblick dieser Göttin, er möchte zu ihr gehen und sich offenbaren … Und das soll er NICHT dürfen? (Sagt Bobby.) Aber warum, um Himmels willen? Leben wir wirklich noch so im „Mittelalter“ (oder gar noch schlimmer, da ja an sich in den Medien kein Thema mehr tabu zu sein scheint)? … Ich habe keine Antwort darauf. Bin keine Wissenschaftlerin oder Soziologin. Mag da auch keine gesellschaftlichen Konventionen gelten lassen. Ich – Frau in den besten Jahren und mit jeder Menge Lebenserfahrung (mit sich und auch mit vielen Männern) – kann und mag mich wohl auch nur ganz persönlich dazu äußern:

Bitte traut euch, Männer! Seid ganz Mann! Oder einfach: Mensch! Teilt doch bitte uns Frauen mit, wenn ihr begeistert seid! (Ich lasse mal all die Situationen weg, in denen es mal nicht passen kann bei der einen oder anderen, was ja ganz menschlich ist, steht frau ja auch nicht immer auf Empfang!)

Beschenkt uns mit Pfauenaugen, mit Poesie, mit Hingabe! Doch seid authentisch dabei (– nicht jedem Mann mag die Poesie flüssig von den Lippen kommen)! UND: Verwechselt nicht den Ausdruck eurer Verzückung und Verehrung für das Göttliche in dieser Frau mit dem zu erfüllenden Begehren! Denn die Verbrämung von Wunsch nach (sexueller) Lusterfüllung mit  Worten von Anbetung und Schwärmerei, die wird sie durchschauen! Vielleicht nur unbewusst, doch sie wird das Unausgesprochene spüren. Um dies klarzustellen: Ich bin auch dafür, sexuelles Verlangen deutlich auszusprechen (was auch nonverbal geschehen kann). Doch das eine zu sagen und das andere zu meinen, kann zu Verwirrung und natürlich dann auch zu Ablehnung führen. Vielleicht sollte sich Mann erst mal darüber bewusst werden, was sich da in ihm so heiß regt!?

Bobby Langer, Du fragst, ob sie sich als Objekt missbraucht fühlen könnte … Ja, das könnte sie. Doch nur, wenn Mann nicht wirklich selbstbewusst ist und erwartet, dass Frau ihn auch dann versteht und annimmt, wenn er es nicht ist.

Ich plädiere für eine lustvolle UND achtsame Offenheit. Ja, und natürlich auch von uns Frauen gegenüber Männern! … Allerdings haben wir Frauen da mit dem Sich-erklären gegenüber dem Mann wohl noch ordentlich Übungsbedarf! Das war in den vergangenen Jahrhunderten wohl eher nicht so „in“, vermute ich, wenn ich mir die vermittelte, bekannte Geschichte anschaue.

Wie wär’s, wenn wir alle, egal wer wir sind oder wen wir lieben (oder von wem wir uns sexuell angezogen fühlen), mutig lernen, uns ehrlich zu zeigen?! Ohne Erwartung auf irgendeine Erfüllung allerdings, denn dann sind mehr oder weniger schmerzhafte Enttäuschungen wohl vorprogrammiert. Sich zeigen ganz grundsätzlich und nicht nur in in einer Situation der „Liebe“, wenngleich das offensichtlich ein besonders sensibles Feld ist und dementsprechend umso achtsamer „bestellt und beackert“ werden muss.

Wie wäre es also? Wollen wir unsere Leben bereichern? Gegenseitig bereichern? Wollen wir mehr Farben? Mehr Töne? Mehr Gefühle? Mehr Tiefe? Mehr wirkliche Verbindung?

Dann bleibt uns wohl nur eine Richtung: hin zum JA und zum Schwärmen!

Dann wird Seufzen nicht nur erlaubt, sondern willkommen sein!

Arwén

„Guys we fucked“ nennen die beiden Amerikanerinnen Krystyna Hutchinson und Corinne Fisher ihren Podcast. Das will und soll provozieren, denn schließlich drehen die beiden den Geschlechter-Spieß herum. Daran werden auf einmal keine Mädels über dem Feuer männlicher Lust geröstet, sondern umgekehrt, die Guys werden „verheizt“. Doch es steckt weit mehr hinter dem krassen Titel, wie sein ergänzender Slogan „The Anti-Slut-Shaming Podcast“ klarstellt: ein neuer weiblicher Emanzipationsschritt – die Ankündigung, dass frau die Schlampen-Etikettierung („Slut“) nicht mehr hinnehmen mag; dass frau sich nicht mehr dafür schämen muss, wenn sie ganz einfach auch mal Lust auf die Lust hat.

Seien wir doch mal ehrlich: Mädels, die es wild treiben und sich Jungs „nur so zum Spaß“ schnappen, sind in bürgerlichen Kreisen alles andere als gesellschaftsfähig. Dort sähe man die Schwiegertochter doch eher noch züchtig, während man dem eigenen Sohn den Parcours durch die Betten als „Vorbereitung aufs Leben“ durchgehen lässt. Der eigene Sohn „gefickt“? Undenkbar.

Dass Hutchinson und Fisher den Nerv vieler junger Frauen in den USA getroffen haben, belegt die Zahl ihrer Abonnentinnen: über eine halbe Million. Es ist anzunehmen bzw. zu hoffen, dass sich auch junge deutsche Frauen nicht mehr mit dem Bild des „züchtigen (und vielleicht sogar nicht mehr ganz so jungen) Mädchens“ identifizieren, ohne deswegen gleich ins Vamp-Lager überwechseln zu müssen. Vielleicht darf Spaß am Sex auch für Frauen ganz normal sein.

Den Original-Podcast findet ihr unter https://soundcloud.com/guyswefucked.

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[Foto: pixabay_xusenru]

 

Schade, die Geschichte vom Storch kennen moderne Jugendliche nicht mehr. Sie wissen schon mit zehn Jahren, oft viel früher, dass das Teil zwischen ihren Beinen „Schwanz“ oder „Muschi“ heißt. Die Pseudoaufklärung via Pausenhof-Handyporno lässt sich nicht mehr verhindern. Da war dann der geflügelte Babytransporter vielleicht doch die sympathischere Alternative. Erst später lernen die Kids dann die „anständigen“ Wörter für die „unanständigen“ – es sei denn, sie haben eine Mutter, an die sie sich rechtzeitig wenden konnten. Denn wenn es einen Aufklärer in der Familie gab, dann war das lange Zeit die Mutter, nicht der Vater. Der Mann war meist nicht Manns genug für das peinliche Thema, hatte „keine Zeit“.

Das hat sich heute geändert und ist nicht mehr nur Frauensache. Auch Väter haben immer öfter vertrauten Umgang mit ihren Kindern und sprechen sexuell Tacheles. Und nicht zu vergessen: Aufklärung findet inzwischen, oft auch gekonnt und angemessen, in der Schule statt. Schwerer haben es da junge Leute mit Migrationshintergrund. In deren Familien ist sexuelle Aufklärung eher noch ein Tabuthema. Im günstigsten Fall lernen Mädels und Jungs das, was ihre Eltern verschwiegen haben, voneinander. Das dürfte im Übrigen die beste Informationsquelle sein: learning by doing und einander erzählen, wie es einem „dabei“ gerade geht. Denn ist es nicht so: Wer noch nie ein Kätzchen im Arm hatte, der kann noch so viel darüber lesen oder sehen. Wie es sich anfühlt, wird er oder sie niemals wissen.